Colin Minder — Ein Auslandsemester in Wien, der Kulturstadt Europas
Mein Name ist Colin Minder und ich studiere derzeit Wirtschaftsingenieurwesen im 5. Semester an der BFH-TI in Biel. Im 4. Semester habe ich ein Auslandsemester in Wien, der Kulturstadt Europas, absolviert. Ein Semester im Ausland zu machen, war für mich schon zu Beginn des Studiums ein Wunsch und ich bin froh, dies an einem so lebhaften Ort gemacht haben zu dürfen. Studiert habe ich dort an der FH Technikum Wien, an einer der beiden Fachhochschulen.
Wien, mehr als ein Ort
Die Stadt Wien wird in 23 Bezirke aufgeteilt, so genannte Distrikte. Der erste, «Innere Stadt», bildet den Kern. Dort befinden sich bekannte Gebäude wie der Stephansdom, die Hofburg, die spanische Reitschule, die Wiener Staatsoper oder auch das Kultkaffee «Café Central». Die nächsten acht Distrikte grenzen an den ersten und umschliessen ihn in einem Kreis. Im Laufe der Jahre sind viele weitere Distrikte dazugekommen. Heute zählt Wien als eine der am schnellsten wachsenden Stadt Europas. Was mich am meisten fasziniert hat, ist die vielfältige Architektur in der Stadt. Viele dieser Gebäude sind im Barok- (17 Jh.) oder Renaissancestil (14 – 16 Jh.) gebaut. Speziell ist, dass solche Gebäude immer noch überall in der Stadt stehen. Glücklicherweise ist ein Grossteil Wiens von den Bomberkommandos im zweiten Weltkrieg verschont geblieben. Die schönste der zahlreichen Kirchen fand ich persönlich die Votivkirche. Die Wiener sind sehr stolz auf ihre Geschichte. Dies kommt noch aus den glorreichen Zeiten der Habsburger Dynastie, welche im Schloss Schönbrunn ihren Sitz hatte und daher tief in der Stadt verwurzelt ist. Gezeigt hat sich der Stolz in der Bereitschaft der Wiener, dir alles über die Stadt zu sagen, was sie wissen. Und sie wissen viel. Aber aufgepasst, der Spitzname «Grumpy Wiener» kommt nicht aus dem nichts. Er bezieht sich auf die Eigenschaft, dass viele Wiener – vor allem ältere Generationen – eher mürrisch auf spontane Konversationen reagieren. Dies ist jedoch nur die Ausnahme von der Regel und ist wahrscheinlich das Resultat eines nie endenden Stromes an Touristen. Über Wien könnte ich noch vieles mehr berichten. Jede Ecke, jede Strasse und jedes Gebäude ist Heimstädte von so viel Geschichte und Kultur, dass «Wien» für mich eher ein Begriff für das Erleben eben dieser Kultur und Geschichte ist, die viele Jahre zurück liegt und doch so präsent an einem Ort bestaunt werden kann. Von unzähligen historischen und kulturellen Einrichtungen über die gemütlichen Grünflächen mitten in der Stadt bis hin zu einem Lebhaften Partyviertel findet man in Wien alles, was man sich wünschen kann.
Schule und Wohnen
Studiert habe ich an der FH Technikum Wien. Eine Fachhochschule, die nur technische Studiengänge anbietet. Aus diesem Grund waren auch alle meine Module ausschliesslich technisch, was mir sehr gefallen hat. Im Juni konnte ich einmal ein sehr interessantes Projekt besuchen gehen. Die Abteilung «Erneuerbare Energie» mitsamt dem dazugehörigen Labor der FHTW befindet sich in der so genannten ENERGYbase, etwas ausserhalb der Stadt. Dieses Gebäude wurde vor ca. acht Jahren gebaut. Es wurden viele verschiedene Technologien im Bereich Energie eingesetzt, um diese näher zu erforschen und Daten zu gewinnen. So wurde zum Beispiel ein kleines Windrad auf dem Dach installiert. Später fand man jedoch heraus, dass es Vibrationen in den oberen Stockwerken verursacht und musste wieder entfernt werden. Es wurden seit der Erbauung und auch während des Baus selbst schon sehr viele Erkenntnisse gewonnen, was sinnvoll in einem Gebäude eingebaut werden kann und was nicht. Leider verbrachte ich wegen Corona aber nicht viel Zeit an der Schule oder der ENERGYbase. Da dies absehbar war, habe ich mir gut überlegt, wo ich genau wohnen will. Schlussendlich habe ich mich für The Student Hotel im zweiten Distrikt entschieden. Der Name ist Programm. Mit einer Ansammlung von ca. 500 Studierenden ist es in diesem Dorm unmöglich, gelangweilt zu sein. Sucht man einen Ort, an dem immer etwas läuft, ist man da absolut richtig. Will man aber auch mal etwas Pause machen, kann man sich gut in sein eigenes Zimmer zurückziehen. Das Zimmer bietet ein grosses Bett, einen Schreibtisch (sehr klein) und ein Badezimmer. Alles in allem ist das Zimmer nicht sehr gross, aber definitiv genug. Man kann es sich wie ein normales Hotelzimmer vorstellen. Die Küche teilt man sich dann mit seinen Nachbarn. Es sind immer maximal 12 Personen, die sich eine teilen. Das Hotel wurde erst im Frühling 2020 gebaut und deshalb ist sowohl die Küche wie auch die Zimmer sehr modern. Das Klima ist angenehm und die Wände dämpfen erstaunlich gut. Es wird auch ein grosser Wert auf Sauberkeit gelegt. Die Küchen werden zweimal pro Woche und das Zimmer einmal im Monat vom Hotel geputzt. Staubsauger und andere Putzartikel werden aber auch sonst zur Verfügung gestellt. Sonst bietet das Hotel einen sehr angenehmen Lernraum, einen Spieleraum mit PS4, Billard und Tischfussball, gratis Waschraum, eine grosse Lobby und gratis Fahrräder zum Ausleihen. Ich fands super dort. Da ich viel dort war, hatte ich auch die meisten meiner Freunde dort gefunden. Weil es so viele Studierende gab, konnte man sich oft nicht merken, in welchem Zimmer einer ist, doch meistens wusste man, welcher Küche er oder sie angehörte. Es entstand ein grosser Zusammenhalt in den Küchencrews und man war stolz auf die, der man angehörte. So kam es auch, dass immer wieder andere Crews Partys veranstalteten. Ich hatte grosses Glück mit meiner, die wir liebevoll «Rasputin» nannten. Zusammen haben wir viel unternommen und Ausflüge gemacht.
Mein schönstes Erlebnis
Es gab viele schöne Erlebnisse während meines Aufenthaltes in Wien. Wir waren viel in der Stadt oder haben uns Museen angeschaut, gingen an die Donau, um etwas zu relaxen und einmal waren wir sogar auf einem Klettersteig, der deutlich abenteuerlicher war, als wir zuerst angenommen hatten. Aber das wohl Schönste war nicht direkt ein Ereignis, sondern eine gewisse Zeitperiode. Wien und ganz Österreich waren bei meiner Ankunft in einem Lockdown. Geschäfte, die nicht fürs tägliche Leben notwendig waren, waren geschlossen. Natürlich auch Restaurants, Bars und Clubs. Das Schlimmste war die Ausgangssperre nach 21 Uhr. Für uns junge Menschen war es eine mühsame Zeit. Doch es kam der Moment, an dem diese aufgehoben wurde. Dies war um die Zeit herum, in der es am Abend auch wieder schön warm wurde und man draussen sein konnte. Weil die Bars und Clubs immer noch geschlossen waren, trafen sich tausende junge Menschen am Donaukanal oder am Karlsplatz. Einige von ihnen nahmen grosse Lautsprecher mit und liessen laut Musik laufen. Es war wie ein riesiges Open-Air-Festival mitten in der Stadt. Leider kam es auch zu einigen Ausschreitungen mit der Polizei. Diese Aufbruchstimmung war überall zu spüren. Nach so langer Zeit mit starken Restriktionen, geschlossenen Bars und Clubs, kontaktverbot und sonstigen Einschränkungen, waren alle begeistert, wieder etwas unternehmen zu können. Dies war eine Zeit, wie ich sie so noch nie erlebt habe.
Steckbrief
Departement
Technik und Informatik
Studiengang
Studiensemester
5. Semester
Jahrgang
1997
Studienort im Ausland
Wien, Österreich
Partnerhochschule
Studienprogramm
Internationales Wirtschaftsingenieurwesen
Zeitraum Austauschsemester
Februar bis Juli 2021 (Frühlingssemester)
Persönliche Entdeckung
Kulturhauptstadt Europa, sehenswerte historische Architektur, offene und stolze Wiener*innen, schöne Landschaften ausserhalb Wiens