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Mentale Gesundheit von Jugendlichen: Wie die Soziale Arbeit im medizinischen Bereich wirkt
27.03.2023 Rekordmässig hoch ist die Zahl Minderjähriger, die psychisch angeschlagen ist. Oft erhalten sie spät Zugang zu professioneller Hilfe, weil es in der Kinder- und Jugendpsychiatrie kaum freie Plätze gibt. Wie arbeiten diese medizinischen Institutionen mit Sozialarbeitenden zusammen? Eine Spurensuche.
Rahel Kämpfer, Sie sind Fachpsychologin für Psychotherapie FSP und Co-Leiterin des Ambulatoriums Bern der Universitären Psychiatrischen Dienste (UPD). Arbeitet das Ambulatorium der Kinder- und Jugendpsychiatrie mit Sozialarbeitenden zusammen?
Bei uns arbeitet eine Sozialarbeiterin im Notfallzentrum der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Der Aufgabenbereich ist noch im Aufbau. Zu ihren Aufgaben gehört es unter anderem, den Familien die entsprechenden sozial-pädagogischen Möglichkeiten aufzuzeigen und zu übermitteln. Dazu gehören zum Beispiel Angebote wie die Sozialpädagogische Familienbegleitung. Auch an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) oder die Sozialdienste werden Patient*innen vermittelt. Die Sozialarbeiterin vernetzt die Patient*innen mit den entsprechenden sozialen Organisationen. Sie steht allen Abteilungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) beraterisch zur Seite.
Können Sie uns schildern, wie Sie die Zusammenarbeit mit Sozialarbeitenden erleben?
Im Bereich des Kindesschutzes und der Beistände erleben wir die Sozialarbeitenden als sehr wertvoll. Diese übernehmen und unterstützen in der Thematik der (psycho-)sozialen Belastung und wir können uns dann auf die Therapie konzentrieren. Vor allem im Migrationsbereich könnten wir uns auch eine sozialarbeiterische Tätigkeit vorstellen, welche uns in den administrativen und sozialen Themen unterstützt. Sozialarbeitende könnten z.B. ein Brückenfunktion zwischen den Institutionen einnehmen und bei Alltagsthemen und -problematiken klärend einwirken.
Oft stehen wir auch in Kontakt mit der Schulsozialarbeit, etwa wenn deren Massnahmen ausgeschöpft sind und sie Schüler*innen an uns weiterweisen. Oder wir stellen fest, dass diese bereits involviert ist. Auch hier stellen Schulsozialarbeitende oft eine Brückenfunktion dar zwischen den Lehrpersonen und der KJP, da wir nicht immer vor Ort anwesend sein können.
Im Sozialdienst kommen die Sozialarbeitenden ins Spiel, wenn ein fast volljähriges Kind ausziehen will und darin Unterstützung braucht.
Kommen ins Ambulatorium insbesondere Kinder und Jugendliche, deren Eltern von sich aus aktiv werden oder sind Zuweisungen häufig?
Wir haben viele Zuweisungen von Eltern und Ärzt*innen. Bei uns dürfen alle zuweisen: Eltern, Fachpersonen aus der Erziehungsberatung oder aus der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB), auch Ärzt*innen und andere Institutionen. Falls das Hausarztmodell besteht, braucht es sicher noch eine Zuweisung einer Ärztin oder eines Arztes. Die Zuweisung erfolgt bei uns schriftlich, danach werden diese durch die Co-Leitung angeschaut und dann wird zu einem Triagetermin eingeladen.
Wann vermitteln Sie an Organisationen aus dem Sozialwesen?
Vor allem bei möglichen Gefährdungen und Erziehungsnotständen durch psychische Krankheiten der Kinder gibt es Meldungen an die KESB. So werden die dortigen Sozialarbeitenden involviert, mit denen wir dann wieder zusammenarbeiten. Das heisst, die Angebote der Sozialen Arbeit und anderer Institutionen werden berücksichtigt, wenn es angezeigt ist.
In welchen Situationen hatten und haben Kinder, Jugendliche oder Eltern, die sich ans Ambulatorium wenden, Kontakt mit Sozialarbeitenden?
Manchmal gab es Kontakte mit dem oder der zuständigen Schulsozialarbeiter*in, etwa bei psychiatrischen oder psychischen Problemen durch eine psychische Erkrankung, die in der Schule auftauchen oder bei Mobbingerfahrungen in der Schule oder einer psychosozialen Belastungssituation, z.B. Schwierigkeiten in der Familie.
Es kommt auch vor, dass die KESB oder ein Sozialdienst involviert ist, etwa bei einer Abklärung des Kindeswohls, bei einer Empfehlung, Massnahmen wie externes Wohnen oder eine sozialpädagogische Familienbegleitung vorzusehen. Zu einer Zusammenarbeit kommt es auch, wenn die KESB medizinische Massnahmen bestimmen muss, etwa wenn die Eltern diese verweigern etc.
Was ist aus Ihrer Sicht der Zugewinn für die Betroffenen, wenn in der (Kinder-)Psychiatrie mit Sozialarbeitenden zusammengearbeitet wird?
Die Zusammenarbeit bringt eine einfachere und schnellere Vernetzung. Sozialarbeiter*innen bringen grosses Wissen mit in diesem Gebiet. Die Psychologinnen und Psychiater können sich so auf die Therapie der Patient*innen fokussieren. Wichtig ist die Unterstützung durch Sozialarbeitende auch bei Erziehungsnotständen und Platzierungen.