Ambulante psychiatrische Pflege und aufsuchende Peerarbeit (APPeer)

Das Projekt untersucht wie Peers nachhaltig in den Kontext der ambulanten psychiatrischen Pflege in Spitexorganisationen implementiert werden können und erarbeitet Lösungsansätze.

Steckbrief

  • Lead-Departement Gesundheit
  • Institut(e) Pflege
  • Forschungseinheit(en) Innovationsfeld Psychische Gesundheit und Psychiatrische Versorgung
  • Förderorganisation Andere
  • Laufzeit (geplant) 01.10.2023 - 30.06.2024
  • Projektverantwortung Dr. Anna Hegedüs
  • Projektleitung Dr. Anna Hegedüs
  • Projektmitarbeitende Nora Christa Ambord
    Dr. Anna Hegedüs
    Dr. Christian Burr
    Sabine Rühle Andersson
    Melina Hasler
  • Partner Verein Förderprogramm und Sozialfonds für ambulante Peer-Begleitung Psychische Gesundheit VFSPB
    Spitex oberes Worblental
    Spitex Region Bern Nord ReBeNo
    Spitex Region Brugg AG
    Ebnet Stiftung
  • Schlüsselwörter Ambulante Psychiatrische Pflege, Ambulantes Setting, Aufsuchende Dienste, Psychische Gesundheit, Recovery, Peer, Peerarbeit, Genesungsbegleiter, Experienced Involvement, Spitex, Implementierung, Betroffenenperspektive, Partizipative Forschung

Ausgangslage

Viele Menschen mit psychischen Erkrankungen erleben massive Beeinträchtigungen in ihrer gewohnten Lebensgestaltung und Lebensqualität. Die ambulante psychiatrische Pflege nimmt bei der Begleitung dieser Menschen eine wichtige Rolle ein. Die Peerarbeit – der Einsatz von Menschen mit eigener Erfahrung mit psychischen Erkrankungen – gilt als ein zentraler Baustein für die Genesung (Recovery) von Menschen mit psychischen Krankheiten. Sie wird als sehr bereichernd, niederschwellig und kostengünstig angesehen. Damit schafft sie eine Vielzahl von Vorteilen für Klient*innen, Peers, Organisationen und das Gesundheitssystem. Während die Peerarbeit im stationären und tagesklinischen Setting in der Schweiz heute bereits mehrheitlich etabliert und akzeptiert ist, wird sie im ambulanten, aufsuchenden Bereich erst vereinzelt eingesetzt. Über die Gestaltung des Implementierungsprozesses und den Herausforderungen, welchen Spitexorganisationen begegnen, gibt es bisher keine wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse. Das Projekt APPeer möchte ebendiese Lücke füllen und Lösungsansätze erarbeiten, wie aufsuchende Peerarbeit im Kontext von Spitexorganisationen nachhaltig implementiert werden kann. Damit trägt sie zu dessen Verbreitung und Optimierung bei.

Vorgehen

Es wurde eine qualitative Studie, angelehnt an die Implementierungsforschung, mit drei Fällen (Spitexorganisationen) und einem partizipativen Forschungsansatz durchgeführt. Die teilnehmenden Spitexorganisationen setzten Peers in der aufsuchenden, eins-zu-eins Begleitung von Klient*innen ein. Sie wurden dabei durch den Verein Förderprogramm und Sozialfonds für ambulante Peer-Begleitung Psychische Gesundheit im Rahmen des Projektes INGA begleitet und unterstützt (z.B. bei der Vorbereitung, Rekrutierung, Implementierung im Betrieb und bei der Weiterentwicklung). Die drei teilnehmenden Spitexorganisationen befanden sich zu diesem Zeitpunkt an unterschiedlichen Stufen des Implementierungsprozesses, sodass der gesamte Prozess der Implementierung durch eine Querschnittserhebung untersucht werden konnte. Es wurden drei Erhebungsmethoden miteinander kombiniert: 1. Leitfadengestützte Expert*inneninterviews mit Spitexleitungen, Peers und ihren pflegerischen Ansprechpersonen in den Spitexorganisationen 2. Fokusgruppengespräch mit Netzwerk Gesundheit Schweiz 3. Teilnehmende Beobachtung von Peer-Klient*innen-Begleitungen Die Analyse erfolgte in Anlehnung an die qualitative Inhaltsanalyse. Anschließend wurden die Erkenntnisse in einem partizipativen Workshop mit Stakeholdern diskutiert, validiert und Lösungsansätze zur Verbreitung und nachhaltigen Implementierung von aufsuchender Peerarbeit im Kontext der psychiatrischen Spitex erarbeitet.

Ergebnisse

Die Befragten sahen die Nutzung des Erfahrungswissens als zentralen Aspekt an, um einen zusätzlichen Zugang zu den Klient*innen auf der Beziehungsebene zu finden. Die Peers passten die Inhalte ihrer Begleitungen an die Bedürfnisse der Klient*innen an. Sie hatten alle unterschiedliche Ausbildungshintergründe, absolvierten aber den Pflegehelfer*innen-Kurs, um über die Krankenkasse abrechnen zu können. Diese Leistungsabrechnung empfanden die Befragten als unzufriedenstellend. Das tiefe Pensum der Peers erschwerte die Integration ins Team. Die Pflege und die Leitungen bemängelten das fehlende psychiatrische Fachwissen der Peers. Das Projekt INGA leistete wichtige Vernetzungs- und Pionierarbeit und wurde von den Spitexorganisationen vor allem in der Anfangsphase der Implementierung als sehr unterstützend erlebt. Langfristig gab es teilweise Unklarheiten über Zuständigkeiten. Zudem zeigte sich, dass eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Werten und Haltungen von Recovery und Peerarbeit nur selten stattfanden. So wurde die Peerarbeit auch eher als eine isolierte Intervention betrachtet, als ein Thema, das auf die ganze Organisation und deren Kultur und Werte Auswirkungen hat. Personen aus dem Beratungsangebot von INGA und besonders engagierte Mitarbeitenden und solche mit viel Vorwissen, wurden als Change-Agents für die Implementierung identifiziert. Für den Start und die Implementierungsphase ist eine Projektfinanzierung unumgänglich.

Ausblick

Eine umfassendere Einführung der Peerarbeit sollte im Rahmen einer Recovery-orientierten Transformation der gesamten Organisation erfolgen, um Erfahrungswissen auf allen Ebenen zu nutzen. Gezielte Aus- und Weiterbildungen von Mitarbeitenden ermöglichen eine tiefere Auseinandersetzung mit den Recovery-Prinzipien, die den Transformationsprozess unterstützen. Eine externe Unterstützung sollte so gestaltet sein, dass sie die internen Prozesse nicht behindert. Weiterhin ist es wichtig, den Mehrwert der Peerarbeit durch qualitative und quantitative Forschung zu untersuchen. Solche Forschungsergebnisse könnten die Grundlage für Verhandlungen mit Kostenträgern schaffen und eine nachhaltige Finanzierung der Peerarbeit sichern.

Dieses Projekt leistet einen Beitrag zu den folgenden SDGs

  • 3: Gesundheit und Wohlergehen