- Forschungsprojekt
Presenteeism at Work Occupational Health Management and Presenteeism among employees
Präsentismus kann Langzeitabsenzen von Arbeitnehmenden erhöhen und zu einer verminderten Produktivität für Unternehmen führen. Nachhaltige Lösungen zur Reduktion von Präsentismus am Arbeitsplatz sind gefragt.
Steckbrief
- Lead-Departement(e) Gesundheit
- Institut(e) Pflege
- Forschungseinheit(en) Gesundheitsversorgung – Personalkompetenzen und Entwicklung
- Laufzeit (geplant) 01.02.2021 - 01.08.2023
- Projektverantwortung Dr. Christoph Golz
- Projektleitung Dr. Christoph Golz
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Projektmitarbeitende
Maisa Gerlach
Tanja Siegenthaler
Ramona Linda Blättler - Partner SWICA Gesundheitsorganisation
- Schlüsselwörter Präsentismus, Betriebliches Gesundheitsmanagement
Ausgangslage
Präsentismus hat sowohl für betroffene Mitarbeitende als auch für Unternehmen negative Auswirkungen. Für Mitarbeitende kann Präsentismus eine bereits bestehende gesundheitliche Beeinträchtigung verstärken und darüber hinaus die Qualität des Arbeitsalltags sowie die Arbeitsleistung negativ beeinflussen. Für Unternehmen führt Präsentismus zu einer verminderten Produktivität und Arbeitsqualität. Die steigenden Kosten wegen Produktivitätsverlusten werden nicht nur durch die tatsächlichen Fehlzeiten von Mitarbeitenden (Absentismus) verursacht, sondern auch durch anwesende Mitarbeitende, welche wegen Präsentismus weniger produktiv arbeiten und/oder die Arbeit in verminderter Qualität leisten. Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass die Kosten von Präsentismus diejenigen von Absentismus gar übersteigen können. Aktuell fehlt es an einer Datenlage zu Präsentismus bei Schweizer Unternehmen. Diese ist jedoch nötig, um darauf massgeschneiderte Lösungen entwickeln, implementieren und evaluieren zu können.
Ziele
Ziele des Projekts sind die Entwicklung eines modularen Fragebogens zur Erfassung von Präsentismus, Risikofaktoren, Stressfaktoren, Produktivität und Langzeitkonsequenzen sowie die Entwicklung von Schulungsprogrammen für zu identifizierenden Risikoprofilen.
Vorgehen
Die Studie wurde in einem Quasi-experimentellen Design zwischen 2022 und 2023 durchgeführt. Alle Mitarbeitenden der teilnehmenden Unternehmen nahmen an einer ca. 15-20-minütigen Umfrage teil. Auf Basis der Ergebnisse wurden Schulungsprogramme zu definierten Risikoprofilen mittels des Intervention Mapping Approachs entwickelt. Daraufhin konnten die Mitarbeitenden im Rahmen des Projekts an den Schulungsprogrammen teilnehmen. Abschliessend erfolgte nochmals eine Befragung mit demselben Fragebogen, um die Wirksamkeit der Schulungsprogramme evaluieren zu können.
Swica Erklärvideo Presenteeism
Ergebnisse
Insgesamt haben 2785 Mitarbeitende aus 17 Unternehmen an der Studie in beiden Messungen teilgenommen. Die Mehrheit der Teilnehmenden war weiblich N = 1759 (63 %). Das Durchschnittsalter lag bei 49.29 (SD = 11.88).
Unter den Teilnehmenden der Basismessung (T0) haben 38 Prozent angegeben, mindestens eine chronische Erkrankung zu haben. Die Mehrheit der Teilnehmenden gab an, eine chronische Erkrankung des Muskel-Skelett-Systems zu haben.
Rund die Hälfte betreibt Präsentismus
Unter allen Teilnehmenden gaben 1033 Personen (37 %) an, in den letzten zwölf Monaten nicht krank gewesen zu sein. Von den restlichen 1752 Teilnehmenden, gaben 296 an, trotz Krankheit in den letzten zwölf Monaten keinen Präsentismus betrieben zu haben. Folglich haben 1456 Teilnehmende in den letzten zwölf Monaten Präsentismus in unterschiedlichem Ausmass betrieben, was einen Anteil von 52 Prozent von allen Teilnehmenden ausmacht.
Führungskultur beeinflusst Präsentismus
Bei Präsentismus zeigt sich, dass Männer weniger häufig krank zur Arbeit gehen als Frauen. Zudem sind ältere Mitarbeitende eher von Präsentismus betroffen. Bei einem Anstieg des Beschäftigungsgrads reduzierte sich der Präsentismus. Insbesondere die Team- und Führungskultur haben einen Einfluss auf Präsentismus.
Burnout-Symptome und geringere Lebensqualität als Folge
Hinsichtlich des Einflusses von Präsentismus auf die Langzeitkonsequenzen wurde Präsentismus stets als relevant in die Modelle inkludiert. Präsentismus führt zu einem Anstieg an Burnout-Symptomen und einer Reduktion der Arbeitszufriedenheit, des Gesundheitsstatus sowie der Lebensqualität.
Erfahrungen mit dem E-Learning-Tool
Es gab insgesamt vier Kurse, denen die Teilnehmenden auf Basis ihrer eigenen Resultate zugeteilt wurden:
- Kurs 1: Präsentismus allgemein
- Kurs 2: Präsentismus allgemein & Team- & Führungskultur
- Kurs 3: Präsentismus allgemein & Muskuloskelettale Erkrankungen
- Kurs 4: Präsentismus allgemein & Team- & Führungskultur & Muskuloskelettale Erkrankungen
Jeder Kurs war in drei Lerneinheiten aufgeteilt: (1) Wissensvermittlung, (2) Skills und (3) Haltung. Zwischen jeder Lerneinheit gab es ca. 2 Monate Pause mit einem kleinen Arbeitsauftrag als Vertiefung zum Gelernten.
An der ersten Lerneinheit haben 470 Mitarbeitende teilgenommen, an der zweiten Lerneinheit 380 und an der dritten Lerneinheit 326. Die grosse Mehrheit der Teilnehmenden gab eine positive Rückmeldung zum E-Learning:
- Gut, informativ, hilfreich, gute Videos, gut beschrieben, positiv, abwechslungsreich, hat sensibilisiert, interessant, spannend, verständlich
Weitere Rückmeldungen spiegeln möglicherweise die Vielfältigkeit an Bildungsniveau, Persönlichkeiten und Expertise wider und unterstreichen die Herausforderung ein Programm zu entwickeln, in dem sich alle Individuen angesprochen fühlen:
- Zeitverschwendung, banal, zu lange, kein Fan von E-Learnings, kein Nutzen, sehr theoretisch, kompliziert
Obschon zwischen 300 bis 400 Mitarbeitende an den Lerneinheiten teilgenommen haben, konnten Daten von lediglich 83 Mitarbeitenden über alle drei Messzeitpunkte zusammengeführt werden für die abschliessende Analyse.
Die Analyse zeigte auf, dass nur bei einer Teilnahme über alle drei Lerneinheiten hinweg, Präsentismusverhalten nachweislich reduziert werden konnte (Mittelwertsdifferenz: 0.17; P 0.047). Die Effektgrösse über alle drei Lerneinheiten lag bei Cohen’s D 0.22, was aus eine geringe Effektstärke hinweist.
Mit Blick auf die Einflussfaktoren für eine Differenz zwischen den Messzeitpunkten zeigt sich, dass bei einer Verbesserung der Wertschätzung durch die Vorgesetzten Präsentismus geringer wurde. Der Einfluss der direkten Vorgesetzten wird weiter dadurch unterstrichen, dass eine verbesserte Führungskultur zu einer Reduktion von Präsentismus führte.
Das E-Learning ist über www.presenteeism.ch erreichbar.
Das Projekt wird im Auftrag der SWICA Gesundheitsorganisation durchgeführt.