Episode 10: Wie Design Thinking bei komplexen Herausforderungen hilft
Wir stehen vor dramatischen Veränderungen unter anderem durch den Klimawandel und die gesellschaftlichen Folgen. Wie man mit Design Thinking innovative Lösungen für komplexe Probleme findet, erläutert unsere Expertin Jennifer Hehn in der 10. Episode unseres Podcast.
Design Thinking ist oft zu hören im Zusammenhang mit agilen Unternehmen und Innovationen. Wofür brauchen wir es heute?
Es ist ein Ansatz, um Probleme zu lösen und neue Ideen zu entwickeln. Das wesentliche Prinzip ist, dass es den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Alles, was ich bzw. ein Unternehmen macht, richtet sich auf die Bedürfnisse von Anwender*innen, Nutzer*innen und Kund*innen aus. Ich versuche zu verstehen, was dessen Bedürfnisse sind und dann erst mir Lösungen zu überlegen. Und das ist heutzutage gar nicht so einfach, denn wir sind alle recht stark gewohnt, da kommt ein Problem und ich komme direkt zur Lösung. In der Regel sind wir so trainiert, schon von der Schulzeit her, dass ich direkt die Lösung brauche. Aber Design Thinking bewegt sich relativ lange im Problemraum und versucht, das Bedürfnis zu verstehen und dann erst die richtige Lösung zu finden.
Sind da eine Fehlerkultur, mögliches Scheitern und eine zweite Runde eingeplant?
Genau, es ist ein iterativer Prozess. Man darf Fehler machen und Fehler machen ist gleichbedeutend mit Lernen, Dinge auszuprobieren, um mich dann peu à peu an die richtige Lösung hin zu entwickeln.
Der Ausgangspunkt ist ein Problem und da komme ich nicht um das grösste Problem, was unsere Welt derzeit hat herum: den Klimawandel. Kann uns Design Thinking bei dieser Aufgabe helfen?
Es kann sicherlich nicht alle Probleme lösen, aber es kann wunderbar helfen, solche komplexen Problemstellungen und Fragestellungen strukturiert anzugehen. Im Design Thinking sind Ausprobieren drin und in verschiedene Richtungen zu gucken. Deshalb kann die Methode die Sichtweisen verschiedener Organisationen, Menschen, Nutzer*innen integrieren und gemeinsam an Lösungen arbeiten. Design Thinking leistet dort einen Mehrwert, wo es solche Fragestellungen von verschiedenen Perspektiven aus zu beleuchten.
Also kann man das globale Problem "Klimawandel" in kleinere Probleme aufteilen, zum Beispiel Energieversorgung, Konsum oder Kreislaufwirtschaft?
Genau da spielt Design Thinking seine Stärke aus. Wenn ich eine klare Problemstellung am Anfang habe, kann sich diese über den Design Thinking-Prozess ändern. Aber ich würde nicht fragen: Wie können wir den Klimawandel lösen? Und jetzt machen wir Design Thinking und dann haben alle Lösungen. Sondern man fängt bei einem konkreten Problem an, exploriert es und findet dann Lösungen dafür. Ich empfehle unterschiedliche kleinere Projekte zu starten.
Dein Kollege Tobias Stucki von unserem Institut Sustainable Business war in der allerersten Episode zu Gast. Er sagt, wir müssen wegkommen von der bisherigen Default-Einstellung Gewinnmaximierung und hin zur neuen Default-Einstellung Nachhaltigkeit. Ist dieses Problem für Design Thinking zu global?
Ich würde es in der Operationalisierung von Design Thinking herunterbrechen. Das ist jetzt sehr abstrakt gesprochen, aber bedeutet einfach: Man kann das zwar als Dachthema nehmen, aber eine neue Defaulteinstellung kann für jedes Unternehmen unterschiedliches bedeuten. Deshalb würde ich jeweils eine Organisation oder ein bestimmtes Ökosystem in den Vordergrund bringen und das beleuchten.
Im Zentrum der Methode steht das Bedürfnis. Momentan möchten z. B. viele Konsument*innen ein nachhaltiges Produkt kaufen. Viele Firmen versuchen dieses Bedürfnis aufzugreifen und umzusetzen. Manchmal endet das jedoch in Greenwashing. Wie könnte man dieses Bedürfnis von den Kund*innen besser im Prozess aufnehmen?
Wenn ein Unternehmen mit Design Thinking die Bedürfnis- und Konsument*innen-Orientierung ernst meint, dann sollte das nicht zum Greenwashing, sondern zu einem Lösungskonzept führen. Aber das muss man wirklich ernst meinen. Das Management spielt dabei eine grosse Rolle. Sie befähigen ihre Teams und setzen es so um, dass es auf der einen Seite die Bedürfnisse adressiert und andererseits wirtschaftlich für das Unternehmen ist.
Im digitalen Zeitalter haben wir beste Voraussetzungen: Mit Algorithmen kann ein Unternehmen ganz genau herausfinden, was die Kund*innen wollen. Wie kann man Technologie, wie Big Data im Design Thinking nutzen?
Design Thinking fokussiert auf qualitative Forschung. In dem Sinne, in dem ich mich wirklich in die Schuhe der Menschen begebe und mit ihnen spreche, sie beobachte. Die Algorithmen bzw. die Möglichkeiten, welche Big Data und künstliche Intelligenz bieten, sind oft sehr stark fokussiert auf das Produkt, das schon im Markt ist. Aber man kann beides zusammenbringen, auch wenn es zunächst konträr erscheint, weil das eine Technologie ist und das andere eine softe Methode. Wir schauen nicht nur an, wie nutzt jemand ein vorhandenes Produkt, sondern versuchen, den Alltag der Nutzer*innen zu verstehen. So entstehen neue Ideen und wenn dann noch Algorithmen helfen, die aktuelle Nutzung weiterzuentwickeln, können die Produkte verbessert werden.
Wo bringt der Einsatz von KI einen Mehrwert für die Kund*innen?
Einerseits kann KI helfen, neue Kommunikationskanäle zwischen Menschen und Unternehmen zu eröffnen. Ein klassisches Beispiel ist ein Chatbot. Manche nutzen es mittlerweile gerne, andere hassen es immer noch, weil er vielleicht die falschen Antworten ausspuckt. Aber im Grossen und Ganzen werden die Technologie und die Interaktionsmöglichkeiten besser. Statt 20 Minuten in einer Warteschleife am Telefon zu hängen, schreibe ich kurz dem Chabot: Hey, mein Paket ist nicht angekommen. Wo ist das Paket? Und zack, bekomme ich meine Antwort. Damit können die Interaktion mit den Konsument*innen sowie die Wertschöpfung für das Unternehmen erhöht werden. Auf der anderen Seite kann man argumentieren, KI hilft mir, Prozesse zu automatisieren, effizienter zu machen und Kosten einzusparen. Wenn Unternehmen diese an die Kund*innen weitergebe, haben Sie davon auch einen Vorteil.
Dies ist eine gekürzte Fassung, das ganze Gespräch hören Sie hier.