Episode 8: Gründerinnen in der Schweiz

Auf 10 Männer, die ein Unternehmen gründen, kommen nur 6 Frauen. Woran das liegt und wie man diese Situation verbessern kann, darüber sprechen wir in der 8. Episode unseres Podcast mit Susan Müller und Jan Keim, zwei Forschenden des Institut Innovation & Strategic Entrepreneurship der BFH Wirtschaft.

Zwischen Männern und Frauen gibt es im Berufsleben und im Alltagsleben einige Lücken, «Gaps» auch genannt: Den Gender-Pension-Gap, Gender-Pay-Gap - gibt es jetzt auch den Gründungs-Gap, Susan?  

Susan Müller: Das ist tatsächlich so. Also wir wissen, dass signifikant mehr Männer als Frauen gründen. Das ist in den meisten Ländern so. Und auch in der Schweiz. Der letzte Global Entrepreneurship Monitor, der herausgekommen ist, hat gezeigt, dass auf 10 Gründer nur 6 Gründerinnen kommen. Wir denken, dass es bei Gründungsentscheidungen immer individuelle Ursachen gibt, warum jemand gründet oder nicht. Aber es gibt eben auch die gründungsrelevanten Rahmenbedingungen, die man in der Schweiz noch verbessern und so hoffentlich dann auch die Gründerinnen-Quote erhöhen kann. Das haben wir in unserer Studie untersucht. 

Was habt ihr in eurer Studie genau angeschaut?  

SUSAN MÜLLER: Wir haben uns angeschaut, wie sich die gründungsrelevanten Rahmenbedingungen für Frauen darstellen. Diese werden jedes Jahr von einem Team der Hochschule für Wirtschaft in Fribourg erhoben im Rahmen des Global Entrepreneurship Monitors, den ich gerade schon erwähnt habe. Und da wird untersucht: Welche Finanzierungsmöglichkeiten gibt es? Wie sieht es mit Bildung im Bereich unternehmerische Kompetenzen aus? Was ist mit kulturellen und sozialen Normen? Und uns hat jetzt interessiert, wie wirken sich diese Rahmenbedingungen speziell auf Frauen aus? Dazu haben wir Expert*innen befragt.  

Welche Rahmenbedingungen sind euch besonders aufgefallen? 

JAN KEIM: Ein zentraler Aspekt ist die Bildung bzw. wie Unternehmertum im Unterricht der Primar-, Sekundar-, aber auch Berufs- und Hochschulen dargestellt wird. Oftmals sind die Vorbilder männlich und viel seltener weiblich. Und wenn dann Frauen dargestellt werden, sind es oft «Powerfrauen». Also solche, die trotzdem auf starkes Wachstum oder Technologie fokussieren. Zudem werden kaum Frauen oder Männer gezeigt, die Unternehmen gründen, die vielleicht eher einen lokalen Impact haben oder sehr spezifische Probleme lösen. Es werden seltener KMU gezeigt, als Start-ups mit Risikokapitalinvestor*innen. Bildung und Vorbilder sind wichtige Stellschrauben, um mehr Mädchen und Frauen dazu bewegen, selbst in die Gründung einzusteigen. Momentan können sich nur wenige damit identifizieren.  

Empfehlt ihr also bereits ab der Primarschule, den Kindern beizubringen, wie man ein Unternehmen gründet? 

SUSAN MÜLLER: Unternehmerische Kompetenzen vermitteln sollte man schon sehr früh. Und auch in der Primarschule. Bei unternehmerischen Kompetenzen geht es nicht nur darum, dass alle Unternehmen gründen, es geht weit darüber hinaus. Mit einem Unternehmen können Menschen Wirtschaft und Gesellschaft mitgestalten. Unternehmerische Kompetenzen sind zum Beispiel, in der Lage zu sein, eine Idee zu formulieren, sie mit anderen zu teilen, andere ins Boot zu holen, dass sie mitmachen und ihre Ressourcen zur Verfügung stellen, dass man gut kommunizieren kann, dass man Probleme analysieren und lösen kann, dass man kritisch denken kann und auch die Folgen des Tuns abschätzen kann. Das alles kann genutzt werden, um ein Unternehmen zu gründen, aber man braucht es auch, wenn man eine Initiative in der Gemeinde lanciert. Das heisst, wenn wir unternehmerische Kompetenzen vermitteln, ist das nicht nur ausgerichtet auf Unternehmensgründung. Schulen können das spielerisch machen, die Kinder arbeiten an eigenen Projekten und übernehmen Eigenverantwortung. Was wir wirklich schulen müssen, ist Proaktivität.  
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Ihr habt in der Studie auch untersucht, dass Frauen ganz andere Unternehmen gründen als Männer. Kannst du darüber mehr darüber erzählen?  

JAN KEIM: Genau. Diverse wissenschaftliche Studien zeigen, dass Frauen tendenziell eher Unternehmen gründen, die neben einer Gewinnorientierung auch stärker auf Impact fokussieren. Also auf irgendeinen sozialen oder umwelttechnischen Impact, um grosse Probleme, den Klimawandel oder Armut zu lösen. Das tun tendenziell eher Frauen als Männer. Wenn wir mehr Frauen dazu bewegen Unternehmen zu gründen, ist das Potenzial da, die grossen gesellschaftlichen Herausforderungen auch tatsächlich lösen können. Aber wir müssen das Potenzial der Gründerinnen nutzen.  

Wie steht es bei dieser Art Unternehmen mit der Finanzierung?  

SUSAN MÜLLER: Grundsätzlich ist die Schweiz ein sehr gutes Umfeld, um Unternehmen zu gründen und auch Finanzierungen zu bekommen. Gleichzeitig sind zum einen die Investoren meistens noch Männer. Dies verursacht einen Gender Bias, das zeigen einige Studien. Und zweitens zielen die Finanzierungsinstrumente hauptsächlich auf Wachstums- und Technologieorientierung ab und eben nicht auf Unternehmen mit einem Impact. Da brauchen wir eine Vielfalt an Gründungs- und Finanzierungsinstrumenten, die auch die Vielfalt der Gründungsmotive abdeckt.  

Dazu kommt, dass wir als Gesellschaft global grosse Aufgaben vor uns haben. Wir können es uns gar nicht mehr leisten, nur auf Gewinn und Wachstum zu setzen. Welche Möglichkeiten gibt es denn die Finanzierungsinstrumente zu verändern?  

JAN KEIM: Es gibt Studien, die zeigen, dass obwohl Frauen beispielsweise andere Fragen bekommen, wenn sie vor Risikokapitalinvestorinnen und Investoren pitchen, dass sie in Crowdfunding beispielsweise tendenziell eher Vorteile haben. Offenbar werden Frauen als vertrauenswürdiger angesehen werden von Kleininvestoren. Es gibt also Finanzierungsmodelle, die nebst der Gewinnorientierung und dem Wachstumspotenzial auch berücksichtigen, wie der Wandel in der Gesellschaft angetrieben wird. Ich glaube, es geht weniger darum, ganze Finanzierungsmodelle über den Haufen zu werfen, sondern diese systematisch zu verbessern.  

Nun könnten kritische Stimmen sagen, es ist doch eigentlich egal, ob Männer oder Frauen ein Unternehmen gründen. Hauptsache, es gibt Innovation in der Schweiz. Was entgegnet ihr denen?  

SUSAN MÜLLER: Dieses Argument kann man natürlich für alle Berufe bringen. Aber die Schweizer Volkswirtschaft kann es sich nicht mehr leisten, egal in welchem Beruf, die Perspektive und die Schaffenskraft der Frauen zu vernachlässigen. Für den Umbau zu einer nachhaltigeren Wirtschaft brauchen wir alle, denn es geht um die Dienstleistungen und Produkte von Morgen. Da müssen beide Perspektiven einfliessen. Studien belegen, wenn die Produktdesigner hauptsächlich Männer sind, beispielsweise medizinische Produkte eben auch auf Männer zugeschnitten sind.  
JAN KEIM: Ich möchte gerne noch ergänzen. Innovationen, die von Frauen geführten Unternehmen oder von Frauen gegründeten, unterscheiden sich von denen der Männer. Das sind eher Innovationen, die auch auf Frauenbedürfnisse zugeschnitten sind. Und ich stimme Susan zu: wir können uns als Gesellschaft nicht leisten, das Potenzial von Frauen nicht zu nutzen. Es ist weder fair, noch es ist es rational oder ökonomisch sinnvoll. Wir müssen mehr unternehmerische Kompetenzen vermitteln und Frauen zu Firmengründung animieren, speziell auch durch Rollenbilder. Es geht nicht nur darum, dass gegründet und innoviert wird, sondern auch wie und für was. Dafür brauchen wir zwingend beide Geschlechter, um die Bedürfnispalette aller Menschen abzudecken. 

Dies ist eine gekürzte Version, das ganze Gespräch hören sie im Podcast.

Hören Sie hier die ganze Episode: