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Weiterbildung von der Praxis für die Praxis
22.06.2022
Der Berufsalltag im Gesundheitswesen bringt oft unerwartete Herausforderungen. Dies benötigt Anpassungsleistungen der Fachleute – aber auch der Bildungsinstitutionen. Ein Beispiel aus der Praxis.
Um dem stetigen Wandel im Gesundheitswesen gerecht zu werden, sind Fachpersonen bereit, sich regelmässig weiterzuentwickeln. Der Berner Fachhochschule (BFH) ist es ein Anliegen, bei der Gestaltung ihres Weiterbildungsangebots an den aktuellen Wissensbedürfnissen orientiert zu sein. Durch den engen Kontakt zur Praxis wird dieser Bedarf immer wieder von Neuem evaluiert. Stellen die Fachpersonen vor Ort Herausforderungen fest, die neue Angebote erfordern, ist die BFH die richtige Ansprechpartnerin. Sie entwickelt evidenzbasierte Weiterbildungen nach Mass und Bedarf. Nach der Kontaktaufnahme gestalten Expert*innen und Antragssteller*innen den Entstehungsprozess für das neue Angebot gemeinsam.
Der CAS-Studiengang Nutritional Assessment ist aus dem Entwicklungsbedarf von Dr. clin. nutr. Caroline Kiss (Fachexpertin Klinische Ernährung, Universitäre Altersmedizin Felix Platter, Basel), Christina Gassmann (MSc in klinischer Ernährung, Stv. Leiterin Ernährungsberatung/-therapie am Universitätsspital Zürich) und Patrizia Christen (BSc in Ernährungsberatung, Leiterin Ernährungstherapie und Diabetesfachberatung, Klinik Hirslanden) entstanden. Stellvertretend für alle gab Patrizia Christen Auskunft zum Entwicklungsprozess des CAS.
Frau Christen, welche Herausforderungen haben sich im Berufsalltag Ihres Teams gezeigt?
Patrizia Christen: Meinen Kolleg*innen und mir war es stets wichtig, uns laufend weiterzubilden. In einem Spital mit Belegarztsystem haben wir uns zunehmend professionalisiert und erweiterte Kompetenzen implementiert. Dabei haben wir festgestellt, dass das Assessment das Fundament unserer Arbeit ist. Wir haben limitierte zeitliche Ressourcen, um mit den Patient*innen zu arbeiten. Die Assessment-Skills und die Erfahrung entscheiden, wie erfolgreich und zielgerichtet unsere Interventionen sind. Wir brauchten in diesem Bereich mehr Wissen und Fähigkeiten, um professioneller wahrgenommen zu werden. Leider fehlte schweizweit ein entsprechendes Weiterbildungsangebot.
Sie haben sich dann an die BFH gewandt, mit der Idee, ein Weiterbildungsangebot zu entwickeln. Wie ist der Entwicklungsprozess abgelaufen?
Patrizia Christen: Wir sind mit sehr konkreten inhaltlichen und formalen Vorstellungen an die BFH gelangt. Beispielsweise hatten wir das Anliegen, dass nicht alles im Präsenzunterricht stattfinden soll. Für Ernährungsberater*innen ist es oft schwierig, sich 16 Tage aus dem Tagesgeschäft rauszunehmen. Das Besondere am Prozess war natürlich, dass wir nicht nur die Initiantinnen, sondern auch die Hauptdozentinnen sind – wir haben alles gemeinsam aufgebaut und umgesetzt. Ich denke aber, dass die BFH unsere Idee auch unterstützt hätte, wenn sie noch weniger klar ausgearbeitet gewesen wäre.
Sie haben nun Absolvent*innen in Ihrem Team: Wie merken Sie als Vorgesetzte, dass die Weiterbildung gewirkt hat?
Patrizia Christen: Sichtbar werden die neu erworbenen Kompetenzen an der klaren, professionellen Kommunikation in einer medizinischen Fachsprache, am Selbstbewusstsein meiner Mitarbeiter*innen sowie einem gestärkten Vertrauen in ihre eigene Wirksamkeit. Es fällt auf, dass sie zielgerichteter entscheiden. Sie liefern bessere Begründungen, warum welche Laborwerte oder Massnahmen sinnvoll sind oder weshalb eben nicht. Sie haben auch weniger Berührungsängste, trauen sich zum Beispiel eher, mal ein Ödem zu drücken oder eine Mundschleimhaut anzuschauen. Sehr schön zeigt sich die Professionalisierung, wenn ein Arzt anruft und sagt: «Ich brauche Sie für eine Zweitmeinung.»
Die Professionalisierung und die Erweiterung der Aufgaben bedingen natürlich auch, dass man ein Verständnis hat für die Grenzen der Profession. Dass wir erkennen, bis wohin wir etwas beurteilen können und wann nicht mehr. Ich finde, dieses Bewusstsein ist durch den CAS-Studiengang enorm gewachsen.
«Dank des CAS Nutritional Assessment habe ich mehr Informationen und Instrumente zur Verfügung, die ich nun auch an mein Team weitergebe. Dies führt nicht nur zu einer differenzierteren Auswahl der Therapie und zu mehr Patient*innensicherheit, sondern auch zu einem besseren Verständnis der Klient*innen und somit zu einer noch bedürfnisangepassteren Behandlung.»