Mit den Füssen spüren: Hightech-Handprothese führt Tastsinn an die Fusssohle zurück

05.07.2023 Handprothesen liefern Nutzer*innen keine Informationen darüber, wie hart oder weich ein Objekt ist. Um das zu ändern, forschen Wissenschaftler*innen des Institute for Human Centered Engineering HuCE der BFH bereits seit mehreren Jahren an innovativen Sensorfeedback-Systemen.

Myoelektrische Handprothesen, die durch minimale Signale der Muskeln im Armstumpf gesteuert werden, geben Träger*innen viele Funktionen der Hand zurück. Den Tastsinn können sie allerdings nicht ersetzen. In früheren Projekten wurde versucht, den Tastsinn mittels eines Sensorsystems und kleinen Vibrationsmotoren an den Arm zurückzuführen. Für die Motoren ist im Schaft der Prothese aber in der Regel zu wenig Platz verfügbar und sie stellen ein zusätzliches Gewicht dar. Einen neuen Ansatz verfolgten deshalb Forschende des Institute for Human Centered Engineering HuCE der BFH gemeinsam mit Expert*innen der Universitätsklinik Balgrist: Mit dem sogenannten FeetBack-System ist das Feedback der Sensoren an der Fusssohle anstatt am Arm spürbar. Möglich machen das ein Sensorhandschuh und eine spezielle Einlegesohle, in die dünne Vibrationsmotoren eingebaut sind.

Vibration an der Fusssohle liefert Informationen

In die Einlegesohle integrierten die Forschenden insgesamt fünf Motoren. An der Geschwindigkeit, mit der die Vibration von den Zehen zur Ferse «wandert», kann die Person abschätzen, wie hart ein Objekt ist. Zudem gibt die Vibration an, wie stark ein Objekt gehalten wird. Um das System zu testen, führten die Forschenden mit vier Proband*innen eine Pilotstudie durch. Beim ersten Versuch sollten die Prothesenträger*innen mit verbundenen Augen Gegenstände der Härte nach sortieren. Beim zweiten Versuch ging es darum, den Stiel von Kirschen zu entfernen. Dafür mussten die Proband*innen die Kirsche mit der Prothese halten und mit der anderen Hand den Stiel entfernen. Während die Proband*innen den ersten Versuch gut meistern konnten, gestaltete sich die zweite Aufgabe als schwieriger. Das lag vermutlich daran, dass der Prototyp zu langsam, zu ungenau und nicht intuitiv genug ist. Die Forschenden schliessen daraus, dass das Grundprinzip der Sinnesrückführung ein Erfolg ist, das in Zukunft besser umgesetzt werden soll.

Gute Alternative zur Sinnesrückführung an den Arm

Die in der Pilotstudie erzielten Resultate sind ähnlich wie jene, die bei Tests mit Feedback-Systemen direkt am Armstumpf erreicht wurden. Das heisst, dass in Sensorfeedback-Systemen die Rückführung des Tastsinns an die Fusssohle eine gute Alternative ist zu der Rückführung direkt an den Arm, mit dem Vorteil, dass die Handprothese nicht schwerer und grösser werden muss.

Cybathlon-Team profitiert von Erfahrungen

Von den im Projekt gewonnenen Erkenntnissen und Erfahrungen im Bereich der Rehabilitationstechnik profitiert nun unter anderem das Cybathlon-Team BFH-Hand-X, das 2024 in der Kategorie Armprothesen-Rennen an diesem einzigartigen Wettkampf teilnehmen wird. Am Cybathlon messen sich Menschen mit körperlichen Behinderungen beim Absolvieren alltagsrelevanter Aufgaben. Unterstützt werden sie dabei von modernsten technischen Assistenzsystemen. Rafael Morand, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Projekt FeetBack mitgearbeitet hat, wird sein Wissen im Entwicklungsteam von BFH-Hand-X einbringen.

Rafael Morand

Rafael Morand war von 2018-2023 bei Prof. PD Dr. Volker M. Koch angestellt und durfte wertvolle akademische und industrielle Erfahrungen sammeln. Er arbeitete in industrienahen Projekten an der Entwicklung von Medizintechnik mit Sensorik und Systemüberprüfung. Zudem trug er eine leitende Rolle in der klinischen Studie zu «FeetBack», in der er das Studiendesign, die Messungen mit Studienteilnehmenden und die Datenanalyse durchgeführt und die Studie in einem renommierten Journal publiziert hat. Seine nächste Stelle ist ein Doktorat in der Universitätsklinik für Neurologie (Inselspital, Bern) in der Gruppe des Dekans der medizinischen Fakultät der Universität Bern.

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