Verborgene Gelegenheiten für die Unternehmensgründung

01.11.2024 Wann können Berufseinsteiger*innen am besten als Mitarbeiter*innen für ein junges Unternehmen gewonnen werden? Eine Studie von Martin Murmann und Udo Brixy ist dieser Fragestellung nachgegangen. Fazit: Das Management eines neuen Unternehmens ist gut beraten, die aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen genau zu beobachten – denn für die Mehrheit der neuen Unternehmen scheint es in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs wesentlich leichter sein, Talente, insbesondere qualifizierte Berufseinsteiger*innen, zu gewinnen. In Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs finden sie hingegen möglicherweise keine optimalen Wachstumsbedingungen vor.

Das Wichtigste in Kürze

  • Neue Unternehmen, die während Wirtschaftskrisen gegründet werden, können aufgrund geringeren Wettbewerbs leichter Mitarbeiter einstellen, sofern sie über ausreichend finanzielle Mittel verfügen.

  • Solche Unternehmen tragen zur Stabilisierung der Gesamtbeschäftigung bei, insbesondere wenn sie Berufseinsteiger einstellen.

  • Die Förderung des Unternehmertums kann deshalb wirtschaftlichen Strukturwandel unterstützen und negative Folgen von Arbeitskräftehortung in Krisen abmildern.

Ob Unternehmen, die während oder ausserhalb von Wirtschaftskrisen gegründet werden, ein grösseres Wachstumspotenzial haben, ist eine wichtige Frage sowohl für angehende Unternehmer*innen als auch für politische Entscheidungsträger*innen. Die bisherige Forschung liefert widersprüchliche Antworten und konzentriert sich zumeist entweder auf Analysen aggregierter Effekte auf Kohortenebene oder schliesst kleine neue Unternehmen selektiv aus den Analysen aus.

Die kürzlich erschienene Studie von Martin Murmann und Udo Brixy hingegen verwendet umfangreiche verknüpfte Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Daten über junge deutsche Unternehmen während der globalen Finanzkrise. Sie zeigt auf, dass es für das durchschnittliche neue Unternehmen einfacher war, seine ersten Mitarbeiter*innen einzustellen, wenn es während der Krise gegründet wurde. Dies war wahrscheinlich der Fall, da die jungen Unternehmen von geringerem Wettbewerb mit etablierten Unternehmen um Mitarbeiter*innen profitieren konnten. Ein strategischer Markeintritt in Krisenzeiten, um von solchen begünstigenden Faktoren zu profitieren, ist allerdings nur dann ratsam, wenn die Gründer*innen auch über ausreichend finanzielle Mittel verfügen, um eine anfängliche Phase begrenzter Nachfrage von ungewisser Dauer zu überstehen.

Unternehmertum fördern – wirtschaftlichen Strukturwandel vorantreiben

Durch das antizyklische Wachstum in Krisenzeiten stabilisieren kleine bis mittelgrosse neue Unternehmen somit die Gesamtbeschäftigung während Wirtschaftskrisen. Insbesondere neue Unternehmen, die Berufseinsteiger*innen einstellen, sind für diesen Effekt verantwortlich. Die Förderung des Unternehmertums könnte also eine sinnvolle Ergänzung zu politischen Massnahmen sein, die das Horten von Arbeitskräften in Rezessionen fördern, insbesondere wenn sie auf unternehmerische Aktivitäten von geringer Grösse abzielen. Massnahmen, die das Horten von Arbeitskräften begünstigen, schaffen Hindernisse für junge Berufseinsteiger*innen. Eine entsprechende Förderung des Unternehmertums kann dazu beitragen, diese negativen Folgen abzumildern und zu vielversprechenden neuen Unternehmen führen, die notwendigen wirtschaftlichen Strukturwandel anstossen können.

Über die Autoren

Martin Murmann ist Professor für Innovationsmanagement und Entrepreneurship an der Berner Fachhochschule. Martins Forschungsinteressen konzentrieren sich auf Unternehmertum und Innovation. Insbesondere analysiert er das Zusammenspiel zwischen Gründer*innen und Angestellten in neuen Technologieunternehmen und die Wechselwirkungen zwischen den anfänglichen Einstellungs- und Organisationsentscheidungen der neuen Unternehmen und ihrem Innovationserfolg.

Udo Brixy ist im Forschungsbereich «Regionale Arbeitsmärkte» am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg beschäftigt. Sein Forschungsschwerpunkt liegt bei der Untersuchung regionaler Auswirkungen des Gründungsgeschehens, insbesondere auf die regionalen Arbeitsmärkte.

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