Wasser marsch, aber nachhaltig

18.07.2024 Die Landwirtschaft steht angesichts des Klimawandels und Trockenheit vor grossen Herausforderungen. Bewässerung wird dabei unverzichtbar – jedoch nur als Teil einer ganzheitlichen Strategie. Gleichzeitig verändert sich das Bild des Waldes.

Kartoffelanbau ist in der Schweiz ohne Bewässerung kaum mehr möglich. Bild: Adobe Stock
Kartoffelanbau ist in der Schweiz ohne Bewässerung kaum mehr möglich. Bild: Adobe Stock


Trockener, heisser, weniger Schnee, häufige Starkregen – so soll das Klima gemäss den hydrologischen Szenarien von MeteoSchweiz und der ETH Zürich in Zukunft aussehen. «Man erwartet insgesamt nicht unbedingt weniger Niederschlag, sondern eine andere saisonale Verteilung. Weniger Regen im Sommer und mehr im Winter», sagt Andreas Keiser, Dozent für Ackerbau und Pflanzenzüchtung an der BFH-HAFL.

Starkniederschläge werden häufiger vorkommen und intensiver ausfallen; wie etwa im letzten Winter, als der Bielersee über die Ufer trat. In der warmen Jahreszeit soll es hingegen seltener regnen und von den schrumpfenden Gletschern wird weniger Schmelzwasser abfliessen. Es kommt lokal zu ausgeprägter Trockenheit. Es gibt schon jetzt Jahre, in denen die Landwirtschaft zusätzlich Wasser benötigt. «Vor allem Gemüse und Obst mussten bewässert werden, im Ackerbau war dies vorrangig bei den Kartoffeln notwendig», sagt Andreas Keiser. Gut möglich, dass in Zukunft andere Kulturen dazukommen würden, beispielsweise Mais.

Das Ziel: Nachhaltige Wassernutzung

«Würde man in trockenen Phasen nicht bewässern, wären die Ertragseinbussen einfach zu gross und nicht im Sinne der Ressourceneffizienz», so Andreas Keiser. Denn: Die Landwirtinnen und Landwirte haben zu diesem Zeitpunkt bereits viel in ihre Kulturen investiert. Sie haben den Boden bearbeitet, gesät, gedüngt und ihre Kulturen gepflegt. Man wolle in der Landwirtschaft gute Erträge erzielen, keine Frage, doch stets mit dem Aspekt der Nachhaltigkeit im Kopf, betont der Ackerbauspezialist. Deshalb baut die BFH-HAFL zusammen mit der Agridea das Forum Nachhaltiges Wassermanagement auf.

Auf einer Website wird Wissen rund um Wasser und Landwirtschaft gebündelt und Arbeitsgruppen arbeiten an Lösungen für die Zukunft, zum Beispiel Wasserspeicherung oder Bewässerungstechnik. Nachhaltiger Umgang mit Wasser bedeutet auch, dass nur dort bewässert wird, wo es auch längerfristig Wasser hat. Darum brauche die Schweiz ein nachhaltiges Wassermanagement unter Einbezug aller Wassernutzerinnen und -nutzer, so Keiser.

Anpassung ist unabdingbar

Im Vergleich zu anderen Ländern, wo teilweise mehr als die Hälfte des gesamten zur Verfügung stehenden Wassers in die Landwirtschaft fliesst, ist dieser Anteil in der Schweiz mit etwa
10 Prozent eher gering. Trotzdem müssen auch wir uns mit guten Strategien im Umgang mit dem Klimawandel rüsten. «Eine nachhaltige Wassernutzung ist die eine Seite, die Anpassung der Landwirtschaft ans Klima die andere», sagt Andreas Keiser: so beispielsweise die Wahl robuster Sorten und Kulturen sowie eine Fruchtfolge und die Bodenbearbeitung. Der Boden ist für die Wasserspeicherung zentral: «Bei guter Durchwurzelung kann er ausreichend Wasser speichern.

Eine gute Bodenbedeckung, wie Strohmulch bei den Kartoffeln, lässt Wasser nach Niederschlägen besser in den Boden eindringen», so der Experte. In eine ähnliche Richtung gehen auch Speicherbecken, die durch Drainage- und Dachflächen mit Wasser gespiesen werden. Das Problem «Trockenheit» muss auf vielen Ebenen angegangen werden, um längerfristig funktionierende Strategien zu erarbeiten.
 

Den Weg auf den Teller der Zukunft werden vor allem trockenheitsresistente Sorten finden. Bild: Adobe Stock
Den Weg auf den Teller der Zukunft werden vor allem trockenheitsresistente Sorten finden. Bild: Adobe Stock

Anders einkaufen

Auch wir als Konsumentinnen und Konsumenten können zu einer Strategie beitragen, indem wir möglichst wenig Produkte kaufen, die vor Ort eine hohe Wasserknappheit verursachen. «Es spielt eine zentrale Rolle, wo ein Lebensmittel produziert worden ist», sagt Matthias Meier, Dozent für nachhaltige Lebensmittelwirtschaft an der BFH-HAFL. So verursacht zum Beispiel die Produktion von einem Kilogramm Tomaten in Spanien mehr als 30-mal so viel Wasserknappheit wie die Produktion in der Schweiz, bei der Produktion von Frühkartoffeln in Ägypten ist es sogar 100-mal so viel. Dies aus dem Grund, weil die Ressource Wasser in Spanien und Ägypten weniger üppig vorhanden ist, in der Produktion aufgrund des Klimas dort aber mehr bewässert werden muss.

Wir müssen also unser Konsumverhalten ändern. «Eine Leitlinie dazu stellt die ‘Planetary Health Diet’ dar, eine flexitarische, pflanzenbetonte Ernährung, welche auf saisonale Produkte setzt», sagt der Nachhaltigkeitsexperte.

Doch unabhängig von unserem Ernährungsverhalten: «Die Zusammensetzung unserer Nahrung wird sich in Zukunft klimawandelbedingt auf jeden Fall verändern – so werden mehr trockentolerante Gemüse und Getreide wie beispielsweise Randen oder Hirse den Weg auf unsere Teller finden und weniger tierische Produkte», sagt Matthias Meier.

Das Bild des Waldes verändert sich

Ebenfalls verändern wird sich der Wald. «Der Schweizer Wald wird nicht sterben, aber er wird anders aussehen. Und gewisse Ansprüche von uns Menschen nicht mehr erfüllen», sagt Jean-Jacques Thormann, Dozent für Gebirgswald und Standortskunde an der BHF-HAFL. Die Fichte war bislang von grosser Bedeutung für die Schweizer Holzproduktion, doch wird ihr Bestand im Mittelland zurückgehen, denn mit Trockenheit wird sie anfällig für den Borkenkäfer. Die Holzproduktion wird sich darum auf andere Holzarten verschieben – was sichtbar sein wird. «Viele Leute zeigen erst wenig Verständnis für grössere Flächen, die lediglich mit Jungwald bestockt sind», sagt Thormann. Doch wer wisse, dass sich dort der Borkenkäfer durchgefressen hat und man die Fichten gefällt hat, solange sie für die Holzproduktion noch nutzbar waren, zeige meist Verständnis. «Häufig werden in der Folge Eichen gepflanzt, die mit Trockenperioden besser umgehen können», so Thormann.

Die Bäume der Zukunft

Auch die Douglasie kommt mit Trockenheit besser zurecht und es gibt Versuche mit Atlaszedern, Tulpenbäumen sowie mit Edelkastanien. Da solche Experimente wichtig sind, wurde von den Försterschulen Maienfeld und Lyss, der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und der BFH-HAFL sowie mit der Unterstützung der Wald- und Holzforschungsförderung von Bund und Kantonen die Plattform «Zukunftsbaumarten» ins Leben gerufen, wo Fachleute ihre Erfahrungen sammeln. Am besten funktioniert ein Wald mit einem breiten Baumarten-Spektrum. «Eine Durchmischung der Baumarten ist auch besser gegen eingeschleppte Krankheiten und Pilze. Diese können eine ganze Baumart dahinraffen – wie man bei der Esche gesehen hat», sagt Jean-Jacques Thormann.

Mit der Trockenheit nehmen auch Waldbrände zu. Zudem schützt ein durch Trockenheit geschwächter Wald weniger gut vor Steinschlag oder Hangrutschungen.
 

Aufforstungsflächen verändern das Bild des Schweizer Waldes. Bild: Ann Schärer
Aufforstungsflächen verändern das Bild des Schweizer Waldes. Bild: Ann Schärer

Resilienter Jungwald

«In den letzten Jahren sind vielfach alte Buchen auf tiefgründigen Böden abgestorben. Sie waren über Jahrzehnte meist gut mit Wasser versorgt und konnten sich nicht so rasch an trockene Perioden anpassen. Ganz anders die Jungbäume, sie scheinen viel resilienter, es sterben nur wenige ab», sagt Jean-Jacques Thormann. Auch das Alter der Bäume spielt also eine zentrale Rolle bei der Anpassung des Waldes ans künftige Klima, was eine möglichst frühe Nutzung nahelegt. Da Jungbäume vor Verbiss durch das Wild geschützt werden müssen, werden Flächen, die aus schützenden Plastikrohren bestehen, wohl das Bild der Wälder im Mittelland der nächsten Jahre ausmachen.

Situation in der Schweiz

Die Landwirtschaft fragt in der Schweiz rund 20% vom gesamten Wasserverbrauch nach. Davon sind rund 10% für die Bewässerung. Gemäss Bundesamt für Statistik eine Fläche von knapp 50‘000 ha. Das entspricht 5% der landwirtschaftlichen Nutzfläche.

Zu den am häufigsten bewässerten Kulturen zählen:

  • Gemüse (rund 75% der Anbaufläche bewässert)
  • Obst- und Beeren (rund 45%)
  • Kartoffeln (rund 30%)

Ohne Klimaschutzmassnahmen steigt der Bewässerungsbedarf um rund 35 bis 40% bis 2050.

Planetary Health Diet – was müssten wir verändern, um diese umzusetzen?

  • Deutlich mehr Gemüse konsumieren
  • Den Früchtekonsum aus lokaler, saisonaler Produktion beibehalten
  • Mehr Vollkorngetreide, Kartoffeln, Hülsenfrüchte und Nüsse konsumieren, wobei die Sorten möglichst vielfältig sein sollten
  • Weniger verarbeitete Milchprodukte konsumieren und unverarbeitete Milch sowie Ersatz von Milchprodukten durch pflanzliche Alternativen mit Kalziumzusatz bevorzugen
  • Weniger Speiseöle verbrauchen und geeignete Öle für die Zubereitung mit grosser Hitze wie Braten/Rösten einsetzen
  • Den Fleischkonsum stark einschränken, ebenso den Konsum von Alkohol und Süssgetränken

(Quelle: Sustainable Development Solutions Network Switzerland: «Wege in die Ernährungszukunft der Schweiz», S. 22)

 

Der Artikel stammt aus: focusHAFL 1/24

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Fachgebiet: Life Sciences + Lebensmittelwissenschaften, Agronomie + Wald