Der Wald, unsere Ressource

05.12.2024 Der Schweizer Wald liefert nicht nur Holz, sondern ist auch Raum für unsere Freizeit. Damit er den Ansprüchen gerecht wird, braucht es nachhaltiges Handeln und Sensibilisierung.

Der Wald dient uns als Erholungsraum, als CO2-Speicher, filtert unser Trinkwasser, schützt uns vor Naturgefahren und liefert uns den nachwachsenden Rohstoff Holz. Er ist für uns alle wichtig. Grund genug, Sorge zum Wald zu tragen. Zum Beispiel mit nachhaltiger Holznutzung. Die Grundlage dafür ist in der Schweiz gesetzlich verankert. Das Waldgesetz schreibt vor, dass nur so viel Holz entnommen werden darf, wie langfristig wieder nachwächst. «Dies stellt sicher, dass der Wald nicht übernutzt wird und er seine vielfältigen Funktionen dauerhaft erfüllen kann», sagt der Waldwissenschaftler Patric Bürgi von der BFH-HAFL.

Die Schweiz nutzt jährlich etwa fünf Millionen Kubikmeter Holz. Rund zwei Drittel davon werden von öffentlichen Forstbetrieben geerntet, die im Besitz von Gemeinden und öffentlichen Körperschaften sind. Private Waldbesitzer liefern den Rest. Dabei bleiben 90 Prozent des Holzes in der Schweiz – um daraus Möbel und Häuser zu bauen oder Wärme zu gewinnen.
 

Ob laufen oder spazieren – der stadtnahe Wald befriedigt viele Bedürfnisse.
Ob laufen oder spazieren – der stadtnahe Wald befriedigt viele Bedürfnisse.

Bewirtschaftung oft nicht kostendeckend

Der Klimawandel stellt die Forstwirtschaft vor grosse Herausforderungen. Denn mit steigenden Temperaturen und häufigeren Extremwetterereignissen wie Trockenheit und Stürmen wird auch der Borkenkäfer immer aktiver. Der gefrässige Käfer, der es vor allem auf Fichten abgesehen hat, setzt dem Schweizer Wald arg zu. Langfristig ist aufgrund des Klimawandels davon auszugehen, dass die Fichte, bislang die wichtigste Baumart für die Schweizer Holzindustrie, sich aus dem Mittelland in die Voralpen und Alpen zurückziehen wird.

Hinzu kommt, dass die Forstbetriebe in der Schweiz mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten kämpfen. «Derzeit arbeitet jeder zweite Forstbetrieb nicht kostendeckend», erläutert Patric Bürgi. Dies könnte langfristig die Bereitstellung der vielfältigen Waldleistungen gefährden, zum Beispiel die Funktion des Waldes als Schutzwald. Fast die Hälfte des Schweizer Waldes schützt Siedlungsgebiete vor Naturgefahren.

Deshalb und um den Forstbetrieben zu mehr Wirtschaftlichkeit zu verhelfen, analysieren Forschende der BFH-HAFL jährlich die wirtschaftlichen Daten von ausgewählten Forstbetrieben. «So lassen sich Stärken und Schwächen identifizieren und Massnahmen für Verbesserungen aufzeigen, beispielsweise Ansätze zur Kostensenkung in der Jungwaldpflege», erklärt Bürgi. Gleichzeitig arbeiten Kolleginnen und Kollegen in der Forsttechnik an neuen Technologien zur Steigerung der Effizienz bei der Holzernte. Zum Beispiel werden Bäume und Gelände eines Gebirgswaldes vor den Arbeiten mit einem Seilkran digital und in 3D erfasst. So kann der Eingriff mit einem optimalen Verhältnis von Kosten und Nutzen durchgeführt werden.

«Derzeit arbeitet jeder zweite Forstbetrieb
nicht kostendeckend.»

Patric Bürgi Waldwissenschaftler der BFH-HAFL.

Für Erholung und Freizeit

Neben Holz für Häuser und zur Wärmeerzeugung bietet der Schweizer Wald den Menschen auch Raum für Erholung. Die Forscherin Jerylee Wilkes-Allemann von der BFH-HAFL forscht in den Waldwissenschaften zu diesem Thema. Sie erklärt, wie essenziell der Wald für die Schweizer Bevölkerung sei und welche Herausforderungen es gebe, um den Wald nachhaltig und gerecht zu nutzen. Viele gehen in den Wald, um zu joggen, zu biken oder zu reiten. «Andere fotografieren oder zeichnen im Wald, machen Geocaching oder Camping», zählt Jerylee Wilkes-Allemann auf. Dabei gehe manchmal vergessen, dass diese freie Nutzung des Waldes nicht selbstverständlich sei: In der Schweiz haben alle Menschen die Möglichkeit, den Wald zu Fuss zu betreten – unabhängig davon, ob er sich in privatem oder öffentlichem Besitz befindet.

«In ganz Europa gibt es etwa acht Länder, in denen ein solches Recht existiert», gibt Jerylee Wilkes-Allemann zu bedenken. Der Artikel 699 unseres Zivilgesetzbuchs erlaubt es jeder und jedem, den Wald zu betreten und wild wachsende Beeren oder Pilze im ortsüblichen Umfang zu sammeln.

Dieser freie Zugang hat historische Wurzeln: «Als das Gesetz 1907 eingeführt wurde, war der Wald eine wichtige Nahrungsquelle. Heute bedeutet er für die meisten Menschen vor allem Freiraum, besonders in städtischen Gebieten.» Entsprechend intensiv wird er genutzt – insbesondere die stadtnahen Wälder, die für die meisten Menschen in der Schweiz in weniger als zehn Minuten zu Fuss erreichbar sind.
 

Die Schweiz nutzt etwa fünf Millionen Kubikmeter Holz pro Jahr.
Die Schweiz nutzt etwa fünf Millionen Kubikmeter Holz pro Jahr.

Waldstrukturen entspannen das Gehirn

«Es gibt immer mehr Studien, die zeigen, wie wichtig der Wald für unsere Gesundheit ist», erklärt Wilkes-Allemann. Sie verweist auf Untersuchungen, die belegen, dass Kinder mit ADHS ruhiger werden, wenn sie regelmässig Zeit im Wald verbringen. Aber auch für Erwachsene ist der Wald ein wertvoller Ort. «In der Psychologie spricht man von der beruhigenden Wirkung der Fraktale, also symmetrischen Strukturen, wie etwa bei Farnen. Durch das Betrachten entspannen sie nachweislich das Gehirn», so die Professorin für Wald- und Umweltpolitik.

«Heute bedeutet der Wald für viele von uns vor allem Freiraum, insbesondere in städtischen Gebieten.»

Jerylee Wilkes-Allemann Professorin für Wald- und Umweltpolitik

​​​​​​​Besucherlenkung wird unabdingbar

Die intensive Nutzung des stadtnahen Waldes bedeutet, dass es immer wichtiger wird, die Besucherströme zu steuern. So kann es künftig nötig werden, Waldzonen zu schaffen, in die sich Wildtiere zurückziehen können. Jerylee Wilkes-Allemann und ihr Team untersuchen dies in einem aktuellen Projekt. «Wir erfassen, welche Joggingoder Bike-Routen am beliebtesten sind und am stärksten genutzt werden. So können Forstbetriebe gezielt steuern, wo Aktivitäten stattfinden dürfen und wo Ruhezonen eingerichtet werden», sagt Jerylee Wilkes-Allemann. Diese Daten würden nicht nur bei der Waldplanung, sondern auch im Dialog mit der Öffentlichkeit helfen. «Es ist wichtig, dass die Bevölkerung versteht, warum Forstbetriebe bestimmte Massnahmen ergreifen.» Denn nur so kann der Wald wertvoller Erholungsraum bleiben.


Der Artikel stammt aus: focusHAFL 2/24

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Fachgebiet: Life Sciences + Lebensmittelwissenschaften