- Story
Nachhaltigkeit in der Ernährungspraxis verankern
16.10.2024 Giulia Casale ist Absolventin des neuen CAS Nachhaltige Ernährung. Sie erzählt, wie ihr die Weiterbildung hilft, Nachhaltigkeit in der Ernährungsberatung zu verankern und die Transformation des Ernährungssystems mitzugestalten.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Interview mit Giulia Casale, einer Absolventin des CAS Nachhaltige Ernährung, erhielten wir spannende Einblicke in die vielfältigen Inhalte des Programms.
- Der Studiengang zielt darauf ab, Fachpersonen zu Vermittler*innen der Transformation des Ernährungssystems auszubilden.
- Der Fokus liegt dabei auf den sozialen, ethischen, gesundheitlichen, ökonomischen und ökologischen Auswirkungen.
Giulia Casale ist selbständige Ernährungsberaterin in Chur und Projektleiterin im Auftrag des Gesundheitsamtes Graubünden. Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind für sie seit langem wichtige Themen. «Im klinischen Setting und bei Ernährungsempfehlungen wird die Nachhaltigkeit der Lebensmittelproduktion oft vernachlässigt, was mich immer gestört hat», sagt Casale. «Viele Empfehlungen zementieren nicht nachhaltige Gewohnheiten, die langfristig nicht tragbar sind.» Ihr persönliches Anliegen und auch die Nachfrage ihrer Kund*innen motivierten sie, sich im Bereich nachhaltige Ernährung weiterzubilden. Sie beobachtet bei den Kund*innen eine zunehmende Sensibilisierung. «Die Kund*innen machen sich mehr Gedanken und haben Fragen. Zum Beispiel junge Mütter, die sich vegan oder vegetarisch ernähren und bei der Ernährung ihrer Kinder vor Herausforderungen stehen», erzählt Giulia Casale. «Für mich war der CAS-Studiengang die Lösung, um mein Wissen zu vertiefen und eine fundierte, breit abgestützte Haltung an meine Klient*innen weiterzugeben.»
Planetary Health Diet und soziale Aspekte der Fischindustrie
Giulia Casale hebt die negativen Auswirkungen der westlichen Ernährungsweise hervor, die für etwa ein Drittel der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich ist, und thematisiert die Anfälligkeit globaler Handelsverflechtungen, wie sie sich bei der Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg gezeigt haben. «Ziel der Planetary Health Diet ist ein soziales, ökologisches und ökonomisches Gleichgewicht zwischen den Weltregionen. Dabei geht es nicht um konkrete Diätvorgaben, sondern um Empfehlungen, die sich an regionalen Ernährungsgewohnheiten orientieren sollen», erklärt Casale.
Besonders interessant fand sie das Thema Meer und Fischerei, inklusive Verschmutzung und Umgang mit den Ressourcen: «Der soziale Aspekt der Fischindustrie wird oft übersehen», so Casale. Das hat sie dazu inspiriert, ihr Abschlussprojekt diesem Thema zu widmen. «Ich plane, die Empfehlungen für Ernährungsfachpersonen in Bezug auf Fisch zu überarbeiten. Derzeit sind sie undurchsichtig und berücksichtigen nicht die Arbeitsbedingungen auf Fischereibooten.» Diese Lücke möchte sie schliessen.
«Wir können nicht gesund sein, wenn wir unsere Umwelt zerstören.»
Neue Perspektiven auf Konsumgewohnheiten
Der Studiengang hat die Ernährungsberaterin beruflich und persönlich weitergebracht und sie konnte wertvolle Kontakte zu verschiedenen Organisationen knüpfen. In der Ernährungsberatung profitiert sie vom vertieften Wissen: «Ich habe den Fleischkonsum schon immer reflektiert, fühle mich jetzt aber sicherer und fundierter in meinen Empfehlungen.» Privat denkt sie noch mehr über ihr Konsumverhalten nach, etwa ob Fair Trade immer die bessere Wahl ist. «Es geht darum, Alltagsgewohnheiten bewusster zu überdenken und vielleicht auch mal Alternativen vorzuschlagen, zum Beispiel statt Kaffee lieber etwas Regionales zu trinken.» Das neue Wissen nutzt sie auch für ihr Engagement für das Gesundheitsamt. So organisiert sie mit Lehrpersonen Projektwochen zum Thema Gesundheit, die auch Nachhaltigkeit und Ernährung umfassen. Besonders Freude bereitet ihr die Arbeit in Schulen: «Wir investieren in die Zukunft, indem wir den Jugendlichen diese Themen nahebringen». Dabei betont sie, dass gesunde Ernährung nicht nur dem Menschen, sondern auch der Umwelt zugutekommen muss: «Wir können nicht gesund sein, wenn wir unsere Umwelt zerstören.»
Zur Person: Giulia Casale
Giulia Casale hat 2007 die Ausbildung zur Ernährungsberaterin und 2016 den CAS Klinische Ernährung abgeschlossen. Seit 2021 ist sie selbständige Ernährungsberaterin und betreibt zusammen mit zwei Kolleginnen eine Praxis in Chur. Zusätzlich hat sie ein Leistungsmandat beim Gesundheitsamt Graubünden als Projektleiterin im Fachbereich Ernährung. Dort gestaltet sie Weiterbildungen für verschiedene Berufsgruppen, darunter Elternberatung und Schulpflege, und bietet fachliche Inputs an der Pädagogischen Hochschule an. Ausserdem ist sie für die zertifizierten Mittagstische zuständig und arbeitet daran, das Label «Fourchette verte - ama terra» einzuführen. In der Praxis bringt Giulia Casale langjährige Erfahrung im Spitalsetting mit und übernimmt häufig komplexe Fälle, die von der Klinik überwiesen werden. Ihr Spektrum umfasst Intoleranzen, Magen-Darm-Beschwerden, Adipositas, Diabetes sowie metabolische Krankheitsbilder. Durch die enge Zusammenarbeit mit Pädiater*innen in Chur betreut sie auch viele Kinder.
Projekte für eine nachhaltige Zukunft
Giulia Casale empfiehlt den Studiengang allen Ernährungsfachleuten, die sich für das Thema interessieren. Er eignet sich aber auch für Personen aus dem Bildungsbereich oder der Gastronomie. «Gerade wenn man sich anschaut, wie sich das Ernährungsverhalten in der Schweiz verändert, weg von der familiären Verpflegung hin zur Gastronomie oder Gemeinschaftsverpflegung, sieht man, dass die Gastronomie einen grossen Hebel hat», sagt Casale. Durch den CAS hat sie viele weitere Projektideen entwickelt, mit denen sie ihren Beitrag zu einer nachhaltigen Zukunft leisten möchte.