- Story
48 Jahre voller Ideen
30.06.2023 Jahrzehntelang haben sie die BFH-HAFL geprägt: Dominique Guenat und Christoph Studer. Nun, da sie in den Ruhestand treten, blicken sie zurück und sagen, was sie sich für die Zukunft der Hochschule wünschen.
Dieser Text erschien im infoHAFL, Ausgabe 1/2023.
Veränderungen sind ein zweischneidiges Schwert: Einerseits können sie inspirieren, andererseits frustrieren. Doch für Dominique Guenat und Christoph Studer sind Veränderungen ein vertrautes Terrain. Mit insgesamt 48 Jahren an der BFH-HAFL haben sie viele Wandlungen miterlebt. «Anfangs war die Schule deutlich kleiner», erinnert sich Guenat, Co-Leiter der Fachgruppe Internationale Landwirtschaft und Leiter des HAFL Hugo P. Cecchini Instituts. «Wir waren eine überschaubare Gruppe von etwa 30 Dozierenden und insgesamt viel weniger als 100 Mitarbeitenden. Wir kannten uns alle persönlich. Aber ich möchte nicht behaupten, dass das die gute alte Zeit war. Im Laufe der Jahre hat sich auch vieles verbessert.»
«Vor 20 Jahren fühlte sich die BFH-HAFL wirklich wie eine Familie an», fügt Studer, Professor für Umgang mit natürlicher Ressourcen, hinzu. «Alles war anders. Vor jedem Unterrichtsraum stand ein Aschenbecher, und wir haben zwischen den Kursen geraucht!» Auf die Frage, ob die Situation heute nicht besser sei, lacht er. «Oh nein, ich habe es wirklich genossen. Wir haben uns in den Pausen immer intensiv ausgetauscht!»
Über 30 Länder bereist
2023 treten die beiden Urgesteine der BFH-HAFL in den wohlverdienten Ruhestand. Guenat, der im September 1997 seine Tätigkeit an der damaligen Schweizerischen Hochschule für Landwirtschaft aufnahm, verabschiedet sich am 31. Mai von seinen Kolleginnen und Kollegen. Studer, der im Januar 2001 seine Arbeit an der Hochschule aufnahm, wurde bereits Ende März vorzeitig pensioniert.
Beide haben in ihrer beruflichen Laufbahn mehr als 30 Länder bereist und unzählige Erlebnisse gesammelt. Guenat erinnert sich an seine fünf Jahre in Bhutan, die überwältigende Hitze in Westafrika, den Stress bei der Einreise mit einem ungültigen Visum in die Mongolei, die Entwicklung eines erfolgreichen Lehrplans in Laos sowie an die Schönheit und Gastfreundschaft in Madagaskar, Vietnam und Tschad. Doch auch Schockmomente blieben nicht aus – wie zum Beispiel der Raubüberfall in Kirgisistan, bei dem ihm die Nase gebrochen wurde.
Auch die Erfahrungen von Studer sind so vielfältig wie die Länder, die er bereist hat. Er schwelgt gerne in Erinnerungen an das Leben im Niger und in Syrien sowie an seine acht Reisen nach Nordkorea. Obwohl er von den Projekten im Tschad und in Somaliland fasziniert war, konnte er sich über den Zustand der dortigen Strassen nie erfreuen. In Tadschikistan und Kirgisistan beeindruckten ihn die alten Flugzeuge, während er in Afrika und Zentralasien wertvolle Freundschaften knüpfte. Doch auch schwere Momente, wie ein Malariaanfall in den Bergen Afghanistans, gehören zu seinen Erinnerungen. Mit einem Augenzwinkern fügt er hinzu: «Alle meine grauen Haare stammen aus der Zeit, als ich RISE leitete.»
«Ein wahres Kompetenzzentrum»
«In der Fachgruppe Internationale Landwirtschaft haben wir einen entscheidenden Vorteil – wir haben beinahe jeden Experten, den wir brauchen, im Haus», sagt Christoph Studer. «Unsere Professoren sagten uns einst während des Studiums, dass wir Generalisten sein würden und uns bei Bedarf an Spezialisten wenden sollten. Heute sind wir selbst die Spezialisten. Ich bin eher der Fachmann für Wasser- und Landwirtschaft, während Dominique ein Wirtschaftsexperte ist. Es ist grossartig zu wissen, dass wir innerhalb der Fachgruppe Unterstützung finden, wenn wir an unsere Grenzen stossen. Hier ist ein wahres Kompetenzzentrum entstanden, das ich für unvergleichlich in der Schweiz halte.»
Die beiden pensionierten Professoren haben nicht nur bei der Umstellung vom klassischen Stundenplan auf ein modulares System im Jahr 2000, der Einführung des problembasierten Lernens im Jahr 2008 und der Entwicklung des Masterstudiengangs im Jahr 2009 zusammengearbeitet. Auch wenn die Lehre nicht immer Studers Leidenschaft war, fand er seine Berufung in der Landwirtschaft und konnte sich mit Guenat zu einem unschlagbaren Duo formieren. Die Faszination für Forschung und Projekte habe ihn einst auf die Stelle aufmerksam gemacht, erzählt er. Beim Vorstellungsgespräch musste er aber eine knifflige Frage beantworten: Wie sieht es mit der Lehre aus? Studer lachte und antwortete: «Ich wollte nie Lehrer werden, aber wenn es sein muss, mache ich das auch!» Doch es dauerte nicht lange, bis er seine Meinung änderte. «Ich habe schnell angefangen, die Lehre zu mögen und das Zusammensein mit den Studierenden ist eines der Dinge, die ich am meisten vermissen werde», gesteht er heute. «Die Kombination aus Feldarbeit und Lehre macht diesen Job so spannend.»
Obwohl beide mit gemischten Gefühlen an den Ruhestand denken, gibt es einige Dinge, auf die sie sich sehr freuen. «Morgens ausschlafen!», ruft Studer. «Aber meine Frau hat eine lange Liste von Dingen, die ich tun muss... wahrscheinlich ein Vollzeitjob für die nächsten zwei Jahre! Wir haben ein altes Haus mit grossem Garten und ich habe immer noch nicht alle Kisten ausgepackt, seit wir 2009 eingezogen sind. Ausserdem betreue ich einen Studenten, den ich im Mai in Afrika besuchen werde, aber im Sommer werde ich wohl nicht viel arbeiten, Inshallah.» Im Herbstsemester werde er wieder unterrichten.
«Das Pendeln von meinem Wohnort im Kanton Waadt werde ich sicher nicht vermissen», sagt Guenat, der mehr Zeit in seiner landwirtschaftlichen Beratungsfirma in Genf verbringen will. «Aber ich werde auch einige Aktivitäten an der HAFL auf Teilzeitbasis weiterführen. Zu Hause habe ich viele Pläne: der Garten, die Hühner, die Heizungsanlage, das Gewächshaus... es gibt viel zu tun!»
Den Nord-Süd-Dialog verbessern
Guenat wird noch bis November an der BFH-HAFL lehren und die Übergabe an Zenebe Uraguchi, der am 1. Juni die Leitung des HAFL Hugo P. Cecchini Instituts übernommen hat, fortsetzen. Nancy Bourgeois Luethi wird alleinige Leiterin der Fachgruppe Internationale Landwirtschaft. Seit 2020 hat sich Guenat intensiv für den Aufbau und die Leitung des Instituts eingesetzt und hofft, dass es weiterhin erfolgreich zur Verbesserung der Situation in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen beiträgt. «Partnerschaften sind von grosser Bedeutung, und ich bin zuversichtlich, dass Zenebe und sein Team unsere Arbeit fortsetzen und das, was wir begonnen haben, weiterentwickeln werden.»
Auch wenn ihre Zeit an der BFH-HAFL zu Ende geht, investieren sie weiterhin in die Zukunft der Hochschule. Sie hüten sich davor, wie ‹mürrische alte Männer› zu klingen, aber sie sprechen mit Leidenschaft.
«Ich bin mir nicht sicher, ob die HAFL grösser werden sollte», gibt Guenat zu bedenken. «Vielmehr geht es darum, unser Alleinstellungsmerkmal zu stärken und zu zeigen, wie wir aktiv zur Bewältigung der wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit beitragen können – sei es der Verlust der biologischen Vielfalt, der Klimawandel, die Ungleichheit oder der Überkonsum.»
Für beide Experten ist eine enge Zusammenarbeit sowohl innerhalb als auch ausserhalb der Hochschule der Schlüssel zum Erfolg. «Ich hoffe, dass die Menschen beginnen, aus ihren Silos herauszukommen und vermehrt mit externen Partnern zusammenzuarbeiten», sagt Studer. «Dadurch können wir unsere Finanzierungsquellen diversifizieren und auch innerhalb der Schule voneinander profitieren. Guenat strebt danach, dass das Institut eine offene BFH-HAFL fördert, um Themen wie Dekolonisierung anzugehen. «Wir brauchen sachkundige Menschen, die gut vorbereitet sind auf eine neue Art von Partnerschaft – auf institutioneller und persönlicher Ebene –, damit der Austausch von Wissen und Erfahrungen auf gleichberechtigtere Weise stattfinden kann. Unsere Studierenden sind gute Botschafter, und es ist unsere Aufgabe, sie auf ihre Rolle in diesem entscheidenden Nord-Süd-Dialog vorzubereiten und ihnen dabei zu helfen, ihn zu gestalten.»