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«Alpine Solaranlagen sind ein kleiner, aber feiner Baustein der Energiewende in der Schweiz»
23.07.2024 Vier Hochschulen, darunter die BFH, lancieren mit alpine-pv.ch eine neue Plattform, die einen Überblick über geplante alpine Solaranlagen bietet. Seit der im April 2023 verabschiedeten Solaroffensive, ist in den Alpen ein Solarboom ausgebrochen. Christof Bucher, Leiter des Labors für Photovoltaiksysteme an der BFH, ordnet das emotional diskutierte Thema in einem Interview ein.
Wieviele Solaranlagen werden zurzeit in den Schweizer Bergen geplant?
Derzeit sind uns 27 Projekte bekannt, die aktiv vorangetrieben werden und Chancen auf eine Realisierung haben. Sie haben eine durchschnittliche Leistung von rund 25 MW und sollen dereinst jährlich rund 1 TWh Solarstrom liefern, davon rund 42% im Winter. Zum Vergleich: Die alleine im Jahr 2023 auf den Dächern installierten PV-Anlagen produzieren mit 1.5 TWh jährlich 50% mehr Solarstrom.
Welche Ziele verfolgt die neu lancierte Plattform alpine-pv.ch?
Viele Planungsteams müssen derzeit so schnell wie möglich alpine PV-Anlagen planen und bauen, um von der Einmalvergütung des Bundes zu profitieren. Viele technische Herausforderungen sind noch ungelöst. Dabei stehen sie nicht in Konkurrenz zueinander, denn alle Anlagen können gebaut werden. Das sind ideale Voraussetzungen, um zusammenzuarbeiten und Wissen auszutauschen. Alpine-pv.ch hat genau dieses Ziel: Die Projekte effizienter machen, indem Erfahrungen geteilt werden und knifflige Themen gemeinsam untersucht werden.
Welchen Beitrag leistet die BFH?
Das Projekt Alpine-PV ist in mehrere Arbeitspakete aufgeteilt. Jede Fachhochschule ist für einige Schwerpunktthemen zuständig. Die BFH verantwortet die stellvertretende Gesamtleitung, den technischen Aufbau der Plattform sowie Wechselrichter und Systemthemen. So arbeitet sie beispielsweise an der Frage, welche Wechselrichterleistung für eine gegebene Anlage optimal ist. Aufgrund der hohen Einstrahlungsspitzen in den Bergen kann für diese Frage nicht auf die Erfahrung im Mittelland zurückgegriffen werden.
Sind alpine Solaranlagen die Lösung für die Energiewende in der Schweiz?
Sie sind ein kleiner, aber feiner Baustein. Im Vergleich zu den PV-Anlagen auf den Dächern machen sie nur einen geringen Anteil aus, selbst die Stromproduktion im Winterhalbjahr der Dachanlagen ist aufgrund derer schieren Menge viel höher als diejenige der geplanten alpinen Anlagen im gleichen Zeitraum. An nebligen Wintertagen bei herrlichem Bergwetter werden die alpinen Anlagen jedoch ihre Stärke ausspielen und die Dachanlagen ideal ergänzen.
Wie würde für Sie die ideale Energielandschaft in der Schweiz aussehen?
Ich bin überzeugt, dass die Photovoltaik kurz- und mittelfristig neben der Wasserkraft zur zweiten tragenden Säule der Stromversorgung wird. Der Strombedarf wird aufgrund der Elektrifizierung von Verkehr und Wärme um rund 50% steigen. Die Photovoltaik dürfte bis zur Hälfte davon decken.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich wünsche mir, dass die Energiedebatte technologieneutral, transparent und ehrlich geführt wird. Das heisst, dass die Entsorgung nuklearer Abfälle genauso eingepreist werden soll, wie das Risiko, dass uns China nicht mehr mit PV-Modulen beliefert. Dabei müssen wir wissen, dass die Rohstoffabhängigkeit vom Ausland bei Öl, Gas und Uran absolut ist. Auch beim Bau neuer Photovoltaikanlagen sind wir vollständig vom Ausland abhängig, selbst wenn der grösste Teil der Wertschöpfung lokal bleibt. Doch jedes PV-Modul, das wir einmal installiert haben, wird 30 Jahre zuverlässig Strom produzieren, selbst wenn sämtliche Auslandlieferungen ausbleiben.