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«Meine Kompetenzen aus dem MAS Integrierte Pflege – Somatic Health haben sich sehr direkt und konkret auf meinen Arbeitsalltag ausgewirkt»
03.10.2023 Marzio Scarpa ist Pflegeexperte und wollte sich nach langjähriger Berufspraxis in der Intensivpflege mit dem MAS Integrierte Pflege – Somatic Health nach neurechtlichem Ausbildungsstandard qualifizieren. Dank dem Studiengang konnte er Wissenslücken schliessen und einige Projekte seiner Abschlussarbeiten auch in der Klinik umsetzen.
Marzio, warum wolltest du dich beruflich weiterentwickeln, was war deine Hauptmotivation?
Marzio Scarpa: Meine Stelle als Pflegeexperte bei der Klinik Beau-Site trat ich mit 20 Jahren Berufspraxis, jedoch ohne die Qualifikation eines Master of Advanced Studies (MAS) oder Master of Science (MSc) an. Es fehlten mir Kompetenzen, die für meinen Job wichtig sind, wie wissenschaftliche Arbeiten lesen, verstehen, beurteilen und selbst verfassen können sowie Statistikkenntnisse. Mit meinem hochprozentigen Pensum und meinen familiären Verpflichtungen drängte sich der berufsbegleitende Ausbildungsweg auf. Die Klinik hat mich vollumfänglich unterstützt, den MAS «on the Job» zu absolvieren, wofür ich dankbar bin.
Welche Fachkurse und CAS hast du absolviert und welche Inhalte waren für dich besonders wertvoll und relevant?
Nach dem Fachkurs Wissenschaftliches Arbeiten, reflektierte Praxis, der die Voraussetzung für alle weiteren Studiengänge bildet und relevant für das Verständnis wissenschaftlicher Literatur ist, habe ich – teilweise überlappend – den Fachkurs Statistisches Denken: Anwendungsorientierte Praxis (heute Fachkurs Basiswissen Statistik und Einführung in die Statistiksoftware R) abgeschlossen. Damit konnte ich meine grössten Wissenslücken schliessen. Danach folgten der Fachkurs Public Health und der CAS Patientensicherheit. Dieser CAS war für meine berufliche Tätigkeit sehr praxisrelevant und gewinnbringend, denn zu diesem Zeitpunkt war ich auch verantwortlich für das CIRS, ein Meldesystem für die Patientensicherheit sowie sicherheitsrelevante Beinahe-Zwischenfälle. Ausserdem habe ich die Fachkurse Clinical Assessment und Motivational Interviewing absolviert.
Inwiefern ergab sich aus deinen Weiterbildungen ein direkter Nutzen für die Klinik und wie hat dies deine Rolle im Arbeitsalltag beeinflusst?
Die Auswirkung auf meinen Arbeitsalltag war sehr direkt und konkret. Das resultierte unter anderem aus meinem Zwischenschritt zur Masterarbeit, dem DAS in Spezialisierter Pflege. Bereits im DAS-Abschlussmodul wählte ich das Thema «Sturz und Screening-Instrumente» und in meiner Master-Arbeit habe ich dann die Sturzthematik mit Massnahmen zur Sturzprophylaxe weiter vertieft. Dank diesem fachspezifischen Wissen konnte ich in unserer Klinik viel beitragen, denn auch in der Akut-Somatik stürzen Patient*innen, insbesondere ältere Patient*innen, ziemlich oft. So profitiert die Klinik auch von meiner fundierten, wissenschaftlichen Herangehensweise. Für meine Master-Arbeit habe ich die Sturzprävention mithilfe von Videoüberwachung untersucht und konnte zeitgleich meine Erkenntnisse in die Pilotphase eines entsprechenden Projekts in der Klinik einfliessen lassen. Dieser Wissenstransfer entpuppte sich als Win-Win-Situation. In meiner Masterarbeit (eine Scoping Review) kam ich zum Schluss, dass die Videoüberwachung, in Kombination mit weiteren Präventionsmassnahmen und bei spezifischen Patienten-/Patientinnengruppen einen Beitrag in der Sturzprävention leisten und die Pflegenden entlasten kann. Aus Datenschutzgründen konnte das Projekt nicht ausgeweitet werden, denn die Videoüberwachung ist hier – anders als in Amerika – eine sensible Angelegenheit.
Mit welchen Aufgaben, Projekten und Herausforderungen bist du aktuell in deinem Pflegealltag konfrontiert?
In der Akutsomatik ist das Vermeiden von Stürzen ein Dauerthema, das mich im Alltag beschäftigt. Ich begleite die Pflegenden bei der Anwendung und Umsetzung prophylaktischer Massnahmen. Aktuell bin ich mit internen Weiterbildungen zu praxisrelevanten Themen für Mitarbeitende beschäftigt, die ich in der Klinik für die Pflegenden aus allen Bereichen plane und organisiere. Trotz weniger personellen Ressourcen versuchen wir, eine bestmögliche Qualität beizubehalten. Ich bin herausgefordert, die bestehenden Prozesse zu verschlanken bzw. zu vereinfachen, damit die Pflegenden im Alltag entlastet sind. Unser Ziel ist, die Pflegeprozesse so zu gestalten, dass sie möglichst keine Schritte oder Handlungen enthalten, die für die Patient*innen nicht nutzbringend sind oder ihrer Sicherheit nicht dienen. Dafür arbeite ich im Team mit den Pflegeexpert*innen des Salem-Spitals und der Klinik Permanence zusammen, welche ebenfalls zur Hirslanden-Gruppe gehören.
Welche Lerngewinne konntest du aus deinen Weiterbildungen an der BFH für deine tägliche Arbeit als Pflegeexperte ziehen?
Einen messbaren Wissenszuwachs habe ich in der Beurteilung der Studienqualität erlangt. Es kommt immer wieder vor, dass ich Studien und generell wissenschaftliche Literatur lese, mehrheitlich auf Englisch, und dank dieser Fähigkeit kann ich relativ schnell die Qualität einschätzen und Folgerungen für meine Arbeit ableiten: Lohnt es sich, die Studie im Detail zu lesen, sich zu vertiefen? Es freut mich sehr, diese Fähigkeit entwickelt zu haben. Ich konnte sie kürzlich auch als Mitglied der SGI (Schweizerische Gesellschaft für Intensivmedizin) in einer Arbeitsgruppe von Pflegeexpert*innen anwenden, mit der ich die Abstracts beurteilen durfte, die für die nationale Jahrestagung 2023 angenommen werden.
Ich war schon immer der analytische Typ, zog manchmal jedoch vorschnelle Schlussfolgerungen. Im Studiengang lernte ich, bei praktischen Fragestellungen mit einem breiteren analytischen Verständnis vorzugehen, indem ich alle Aspekte, alle Involvierten und zudem die spezifische wissenschaftliche Literatur miteinbeziehe. Dadurch erhalte ich ein umfassenderes Gesamtbild.
Wie hast du den MAS mit deinen beruflichen und privaten Verpflichtungen vereinbart?
Ich bin froh, stellst du mir die Frage erst jetzt, zwei Jahre nach dem Abschluss (lacht). Als ich noch mittendrin steckte, dachte ich öfters, «das ist gar nicht machbar». Die Studienzeit war mit meinem Pensum von 80–100 Prozent schon anspruchsvoll. Die flexible Zusammenstellung der Fachkurse und CAS und deren zeitlich begrenzte Studiendauer von drei bis maximal sechs Monaten kamen mir da sehr entgegen. Am intensivsten war es während der Covid-Zeit, in der ich Vollzeit gearbeitet habe und parallel die Masterarbeit schrieb.
Einen messbaren Wissenszuwachs habe ich in der Beurteilung der Studienqualität erlangt. Es freut mich sehr, diese Fähigkeit entwickelt zu haben und einsetzen zu können.
Wie hast du den Austausch mit den Studierenden während der Weiterbildung erlebt und ergaben sich daraus spezielle Erkenntnisse?
In den Fachkursen hatten wir weniger Präsenztage, da war es eher schwierig, in Kontakt zu bleiben. Im CAS Patientensicherheit konnte ich dann wertvolle Kontakte knüpfen. Wir sahen uns über ein halbes Jahr immer wieder und haben für die Abschlussarbeit Projekte zusammen erarbeitet. Das war sehr bereichernd, denn wir konnten viel voneinander lernen. Covid-bedingt gab es dann gegen Ende der Studienzeit nur noch wenige Kontakte vor Ort. Toll war, dass zum Beispiel in den Fachkursen Motivational Interviewing und Clinical Assessment die Gruppen sehr gemischt waren. Als Intensivpfleger bekam ich so Einblick in andere Berufsfelder, wie Psychiatrie-, Langzeit oder Spitex-Pflege. Der fachliche Austausch über die berufliche Erfahrung war für mich horizonterweiternd und wertvoll.
Was hat dir besonders gefallen? Wie hast du die Stimmung und die Dozierenden erlebt?
Man hat gespürt, dass die Dozierenden sehr engagiert sind, und ich konnte von ihrem Fachwissen profitieren. Auch sie kamen aus sehr unterschiedlichen Fachgebieten, was eindeutig ein Pluspunkt war. Manche waren Psycholog*innen, manche Qualitätsmanager*innen, manche Apotheker*innen, andere Pflegeexpert*innen. Es war eine lockere und trotzdem hochkompetente Zusammenarbeit, wie es in der Erwachsenenbildung sein sollte.
Der CAS Patientensicherheit hat mich am meisten begeistert. Dies hat sicher mit der längeren Studienzeit zu tun, es gab ein Gefühl von Kontinuität. Im Rahmen der Projekte für den Kompetenznachweis durfte ich zum Beispiel Einblick in die Klinik Südhang nehmen. Wir haben dort zum Thema Leadership Patient Safety Rounds (LPSR) Interviews mit Kaderleuten und Ärzt*innen durchgeführt, das war sehr spannend. Auch dieses Projekt konnte ich dann als Pilotprojekt in der Klinik Beau-Site umsetzen.
Wem würdest du den MAS Integrierte Pflege – Somatic Health weiterempfehlen?
Allen Leuten, die in einer ähnlichen Situation sind, wie ich es war: ich hatte über 20 Jahre Berufserfahrung in der Intensivpflege und wollte meine Wissenslücken im wissenschaftlichen Arbeiten und der Statistik schliessen. Der Vorteil des MAS an der BFH ist, dass man den Studiengang entsprechend der Lernbedürfnisse mit grosser Freiheit gezielt gestalten und mit seinen beruflichen und familiären Verpflichtungen unter einen Hut bringen kann.
Angaben zur Person: Marzio Scarpa
Marzio Scarpa
MAS Integrierte Pflege – Somatic Health, Pflegeexperte in der Klinik Beau-Site in Bern (Hirslanden-Gruppe)
Nach der Pflegeausbildung in Mailand NDS HF «Experte Intensivpflege» und NDK «Pädagogische Module: Lernveranstaltungen mit Erwachsenen durchführen», über 20 Jahren Berufspraxis in der Intensivpflege, seit 2016 Dozent für Basale Stimulation am BZ Pflege Bern.