Stefan von Gunten - Coachen statt bestimmen und was dahinter steckt
Als langjähriger Lehrbeauftragter hat Stefan von Gunten den CAS Führungskompetenzen mitgeprägt. Zahlreiche Organisationen im Sozialbereich hat er zudem als Berater begleitet. Er kennt den sozialen Bereich wie kaum ein Zweiter. Was er zu Karriereplanung und Leadership zu sagen hat, animiert Routinen im Arbeitsalltag zu überdenken.
Herr von Gunten, Sie haben den Sozialdienst der Stadt Bern geleitet und sich danach selbständig gemacht. Unter anderem sind Sie schon seit mehreren Jahren als Lehrbeauftragter in der Führungsausbildung an der BFH tätig. Was war für Ihre Karriere entscheidend?
Mein Einstieg in die Arbeitswelt über den Berufsbildungsweg ist die Entscheidung, über welche ich heute noch froh bin. Nach meiner kaufmännischen Lehre bei einem Grossverteiler blieb ich diesem 15 Jahre lang treu. Ich hatte die Möglichkeit, unterschiedlichste Tätigkeitsfelder, von der Informatik bis zum Verkauf kennenzulernen. Dort begann auch meine berufliche Entwicklung als Organisationsberater und Führungsperson. Zur selben Zeit bildete ich mich zum Betriebswirtschafter weiter. Nebenberuflich war ich immer in der Erwachsenenbildung tätig.
Weitere Stationen waren marktorientierte Firmen wie auch Non-Profit-Organisationen. Beide Welten zu kennen, verhalf mir zu einem besseren Verständnis und erweist sich bis heute als wertvolle Horizonterweiterung in meinen Tätigkeiten als selbständiger Berater und Lehrbeauftragter der BFH.
Mein beruflicher Weg war und ist bis heute weder gradlinig, noch folge ich einem bestimmten Plan. Es ist mehr das «feu sacré», von welchem ich mich leiten lasse und welches mir aufzeigt, wann es Zeit für eine Veränderung ist.
Was meinen Sie mit «feu sacré»?
Unter «feu sacré» verstehe ich die Begeisterung, welche mir die notwendige Energie und Leidenschaft geben, um etwas zu verändern.
Gibt es denn so etwas wie Schlüsselerlebnisse auf Ihrem beruflichen Weg?
Ein wichtiges Schlüsselerlebnis war mein Wechsel zum Sozialdienst der Stadt Bern. Als Generalist in einer solchen Expertenorganisation war mein Auftrag, den Dienst aus einer Krise in ruhigere Gewässer zu führen und nicht etwa fachspezifische Themen der Sozialen Arbeit zu prägen. Dafür waren die Expertinnen und Experten ja da. Aber wie führe ich in einer solchen Organisation? Diese Frage brachte mich zum Thema Coaching in der Führung.
Ein Muster meines beruflichen Weges war, dass ich wiederholt auf Organisationen stiess, welche sich in herausfordernden Situationen befanden. Ich musste mir immer wieder die Fragen stellen: «Welche meiner Ressourcen sind hier und jetzt am Nützlichsten und wie kann ich die Menschen in dieser Organisation am besten unterstützen?» Es war also eine permanente Auseinandersetzung mit meinem eigenen Rollen- und Führungsverständnis. Dies ist heute als selbständiger Organisationsentwickler nicht anders.
«Bestimmen Sie noch oder coachen Sie schon?» lautet der Titel eines Fachbuches, das Sie 2015 mitverfasst haben. Warum führt an Coaching kein Weg vorbei?
Lösungsorientiertes Coaching ist nicht als Methode, sondern als Haltung zu verstehen, welche von einem positiven Menschenbild und der Fähigkeit, den Mitarbeitenden zu vertrauen geprägt ist. Führungskräfte mit Erfahrung wissen, dass die Mitarbeitenden oft die wahren Expertinnen und Experten für die zu lösenden Probleme sind. Durch Coaching in der Führung geht es darum, dieses Expertenwissen bestmöglich abzuholen und zu nutzen. Das Buch richtet sich an Praktikerinnen und Praktiker und ist ein Hilfsmittel für den Führungsalltag.
Was ist Ihnen in der Ausbildung von Führungspersonen besonders wichtig?
Führung beginnt bei sich selbst. Deshalb ist die Auseinandersetzung mit den eigenen Ressourcen und Fähigkeiten sowie mit dem eigenen Führungsverständnis wichtig, um sein eigenes, wirkungsvolles Führungsverhalten zu entwickeln. Dieser Ansatz verfolgt auch der CAS Führungskompetenzen der BFH.
Sind Frauen die besseren Führungspersonen?
Aber sicher doch (lacht)! Nun, so pauschal kann ich dies nicht beantworten. Aus der Forschung weiss man, dass keine wesentlichen geschlechterspezifischen Unterschiede auszumachen sind. Ich wünsche mir, dass es mehr Frauen in der Führung gäbe.
Was macht denn eine gute Leaderin oder einen guten Leader aus?
Wenn Vorgesetzte authentisch bleiben, über ein positives Menschenbild verfügen und gut zuhören können. Dann bringen sie schon viele Eigenschaften mit, die sie zu einem guten Leader machen.
Was motiviert Sie an der Arbeit als Lehrbeauftragter?
Der CAS Führungskompetenzen der BFH hat einen hohen Praxisbezug und es wird Wert gelegt auf den Wissenstransfer zurück in den Berufsalltag der Studierenden. Bereits in frühen Phasen der Führungsausbildung sind Entwicklungsschritte der Teilnehmenden erkennbar. Der Austausch mit den Studierenden stellt zudem für mich eine Bereicherung dar, die ich sehr schätze.
Was interessiert Sie besonders an Sozialen Organisationen?
Bei Sozialen Organisationen ist der Sinn und Zweck sichtbar. So finden sich Menschen zusammen, die über ähnliche Werte verfügen und eine hohe Verbundenheit zur Institution mitbringen. Das schlägt sich auch auf das Engagement und die Motivation in den gemeinsamen Projekten nieder, dies gefällt mir.
Abschliessend eine Frage zur Aktualität: Was dürfen Mitarbeitende in Zeiten von Pandemie und Homeoffice Ihrer Meinung nach von ihren Chefinnen und Chefs erwarten?
Eigentlich das gleiche wie VOR der Pandemie, nämlich dass die Führungspersonen sie wahrnehmen, ihnen aufrichtige Wertschätzung entgegenbringen und zu den Mitarbeitenden in Beziehung stehen. Vielleicht braucht es jetzt halt einfach ein bisschen mehr von alldem.
Interview vom 17. Mai 2021
Persönlicher Steckbrief
Departement
Soziale Arbeit
Studiengang
CAS Führungskompetenzen I: Effektives Führungshandeln
Funktion
Lehrbeauftragter und Adinterim Studienleiter
Publikation
Bestimmen Sie noch, oder coachen Sie schon?
Autoren: Stefan von Gunten & Lorenz Jung
Erscheinungsdatum: April 2015