Korrosion

Bei Blechblasinstrumente des 19. und frühen 20. Jahrhunderts stellt sich eine heikle Frage: «to play or to display» – Spielen oder Ausstellen

Steckbrief

Ausgangslage

Die historisch informierte Aufführungspraxis älterer Musik benötigt als wesentliches Element «period instruments» für Konzerte, Lehre und Forschung. Dies führt zu einem Dilemma: Ein historisches Instrument, das wieder gespielt werden soll, wird durch Restaurierungen verändert und riskiert, beschädigt zu werden; wenn es hingegen «stillgelegt» und im Museum verwahrt wird, verliert es seine Stimme, wird auf sein Objekt-Sein reduziert – «to play or to display». Besonders akzentuiert besteht dieses Dilemma bei Blasinstrumenten aufgrund der Blasfeuchte. Das Projekt will nun für Messinginstrumente Lösungsansätze finden, indem es erstmals Korrosionsphänomene im Innern dieser Instrumente erforscht und Methoden präventiver Konservierung erarbeitet – in multidisziplinärer Zusammenarbeit der Hochschule der Künste Bern, des Schweizerischen Nationalmuseums (SNM), des Paul Scherrer Instituts (PSI) und der ETH Zürich.

Vorgehen

Durch das Erforschen sowie Vermessen des Zustands und der Entwicklung von Korrosionsphänomenen im Innern von Messinginstrumenten betritt das Projekt wissenschaftlich Neuland. Dazu wird ein Satz von rund 100-jährigen Hörnern, Trompeten, Posaunen und Tuben zur Anspielbarkeit restauriert, nicht aber gereinigt. Mit einer an der ETH Zürich entwickelten Messsonde und der adaptierten elektrochemischen Messmethode analysiert das SNM die bestehende Korrosion. Dieselben Korrosionsphänomene untersucht das PSI parallel dazu mittels bildgebender Verfahren mit Neutronen- und Röntgenstrahlen. Danach testet eine Langzeitstudie unterschiedliche Möglichkeiten schonender Nutzung und präventiver Konservierung, die von der Konservierung-Restaurierung des SNM erarbeitet werden. Die Instrumente werden hierfür systematisch gespielt, die Entwicklung der Korrosion wird regelmässig gemessen.

Ergebnisse

Aufbauend auf den Erkenntnissen über innere Korrosion und deren Entwicklung werden Methoden präventiver Konservierung für gespielte historische Messinginstrumente evaluiert, die sowohl für MusikerInnen als auch für Museen von Nutzen sind. Deren Umsetzung wird im Rahmen einer historisch informierten Aufführung von Strawinskys Sacre du Printemps exemplifiziert. Die benötigten 22 historischen Blechblasinstrumente werden gemäss der entwickelten Protokolle präventiver Konservierung behandelt. Um die damals benutzten Modelle zu identifizieren und damit die Klanglichkeit des Orchesters rekonstruieren zu können, gehen musikhistorische Forschungen den Musikern der Uraufführung nach. Zudem wird eine Datenbank entwickelt, wie solcherart gewonnene Erkenntnisse zu den Spieleigenschaften der Instrumente und zu passenden Mundstücken erfasst und weitervermittelt werden können. Dies soll aufzeigen, ob und gegebenenfalls wie das Dilemma für historische Blechblasinstrumente allenfalls doch gelöst werden könnte: «to play and to display»?

Dieses Projekt leistet einen Beitrag zu den folgenden SDGs

  • 12: Verantwortungsvoller Konsum und Produktion