Mariam Mazmanyan – internationaler Forschungsaustausch im Zeichen der Inklusion

Schulsozialarbeitende können dazu beitragen, dass sich Kinder mit besonderen Bedürfnissen in unseren Schulen integrieren. Wie sie das tun, erforscht Mariam Mazmanyan während ihres Aufenthalts an der BFH. Erfahren Sie mehr über die Beweggründe unserer armenischen Nachwuchsforscherin, sich dieses Themas anzunehmen.

Mariam Mazmanyan
Die Armenierin Mariam Mazmanyan widmet ihren Forschungsaustausch der Schulsozialarbeit im Kanton Bern.

Sie haben Soziale Arbeit studiert und für eine Nichtregierungsorganisation gearbeitet, die Kinder begleitet. Seit Dezember 2020 sind Sie an der BFH. Was sollten wir über die Soziale Arbeit in Armenien wissen?
 

Sozialarbeit kam 1988 als Folge eines Erdbebens nach Armenien. Wegen verheerender Auswirkungen wurden internationale Organisationen im Land aktiv. Menschen ohne Ausbildung begannen als Sozialarbeiter*innen zu arbeiten. Heute gibt es auch Professionelle mit Uniabschluss wie mich. 

Sozialarbeitende arbeiten für den Staat im Sozialdienst. Sie besuchen Menschen zuhause, sind verantwortlich für deren Wohl, zahlen Sozialhilfe aus oder versorgen sie mit Gütern. Sie klären die Bedürfnisse, wissen welche Ressourcen zur Verfügung stehen und bringen beides zusammen. 

Sozialarbeitende sind auch im Nonprofitbereich aktiv. Dieser Arbeitsbereich ist stark abhängig von Spenden. Es ist nicht wie in der Schweiz, wo dieser Bereich durch Leistungsverträge Staatsaufgaben übernimmt. In Armenien arbeiten solche Institutionen oft im Auftrag internationaler Organisationen. Das birgt Risiken, zum Beispiel wenn diese ihre Vergaben von bestimmten Zielen abhängig machen. Mein Forschungsthema ist da ein gutes Beispiel.

Inwiefern betrifft dies Ihr Forschungsthema, die Schulsozialarbeit?


Internationale Organisationen hätten gerne universelle Integration in den Schulen. Dies ist aber nicht möglich, denn Armenien hat weder die Ressourcen dafür noch ist es vorbereitet. Oft sind Behinderungen noch schambehaftet, betroffene Familien haben ihre behinderten Kinder zuhause behalten. Auch die Lehrer*innen sind nicht bereit. Dennoch gibt es Geldgeber, die sagen, bis 2025 müssen alle Schulen inklusiv sein. Darum will die Regierung alles in grosser Eile umsetzen, ohne Gesellschaft und Stakeholder vorzubereiten. 

Innert weniger Jahre sollen alle Sonderschulen geschlossen werden, um Kinder mit besonderen Bedürfnissen in Grundschulen zu integrieren. Der Effekt ist: Kinder, Eltern und Lehrpersonen sind gestresst. Es gibt zu wenig Information, was inklusive Bildung ist und welche Möglichkeiten es für Schulen gibt, die dem Zeitplan hinterherhinken. Es wäre wichtig, dass Anspruchsgruppen und Entscheidungsträger miteinander sprechen. Armenien müsste auch die Erfahrungen von anderen Staaten kennen, denn einige haben beachtenswerte Schritte hinter sich.

Sie erforschen, wie Schulsozialarbeitende im Kanton Bern arbeiten, um inklusive Bildung zu realisieren. Wie geht er die Umsetzung an und was können Schulsozialarbeitende überhaupt bewirken?
 

Die gesetzlichen Grundlagen halten fest, dass Integration für Kinder mit Behinderungen, für Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten und für sehr intelligente Kinder Priorität hat. Sie sollen die Regelschulen besuchen und individuell gefördert werden. Der Kanton ist nicht in Eile, die Sonderschulen zu schliessen. Er gibt den Schulen Autonomie, selbst zu entscheiden, welches Modell der Integration sich für sie eignet. 

Auch wenn es noch viel zu tun gibt, funktionieren die Mechanismen. Herausfordernd ist etwa die interprofessionelle Zusammenarbeit, wie die Forschung zeigt. Auch finanzielle Mittel fehlen, weil die Kinder mehr Zeit von Professionellen beanspruchen. Aber für mich ist der Kanton Bern interessant, weil er praktische Schritte hinter sich hat und dabei sehr basisorientiert ist. 

Im Moment befassen sich insbesondere Heilpädagog*innen mit der Integration. Aber wir Forscher*innen nehmen an, dass Schulsozialarbeitende, wenn sie mit Klassen arbeiten, auch Dinge für diese Kinder tun können. Ich will nun herauszufinden, was sie genau tun, welche Herausforderungen sie antreffen und was ihre Position stärken würde.

Mariam Mazmanyan bleibt bis Ende Dezember 2021 an der BFH in Bern. Im Moment bereitet sie sich auf eine Fachkonferenz vor, interviewt Schulsozialarbeitende und begleitet sie bei ihrer Arbeit. Auch Interviews mit Expert*innen vom Kanton sind geplant. Im impuls 3/2021 berichtet Sie über ihre Erfahrungen als Sozialarbeiterin während des Konflikts in Bergkarabach im Herbst 2020. Sie haben es verpasst? Abonnieren Sie das Magazin gratis. 

 

Interview vom 26. Mai 2021

 

Persönlicher Steckbrief

Departement

Soziale Arbeit

Forschungsgebiet

Schulsozialarbeit

Herkunft

Yerevan, Armenien

Zeitraum Austausch

Dezember 2020 - Dezember 2021