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Dialog auf Augenhöhe im Kleefeld
18.09.2023 Das «Fokusgebiet Kleefeld» in Bern Bümpliz Süd diente Regierungsratspräsident Philippe Müller und engagierten Bewohner*innen des Quartiers als Plattform für einen konstruktiven Austausch. Die BFH-Professorin Emanuela Chiapparini brachte in diesem Dialog die Sicht der Forschung zu den Herausforderungen und Potenzialen des Viertels ein und berichtet von der Begegnung.
Am 8. September traf sich der Berner Regierungsratspräsident Philippe Müller mit Personen aus dem Quartier Kleefeld. Die Gruppe bestand aus Bewohner*innen, Vertretenden aus Quartiervereinen (siehe rechts), dem Co-Leiter der Schule Bümpliz, dem Bezirkschef der Kantonspolizei Bern und sechs Fachpersonen der kantonalen Sicherheitsdirektion. Als Expertin für Kinder- und Jugendforschung sowie für Beteiligungsprozesse von armutserfahrenen Personen erhielt auch ich direkten Einblick in die Anliegen und Herausforderungen der Quartierbewohner*innen. Regierungsratspräsident Müller zeigte sich offen, hörte zu und trat mit allen Gruppen in den Dialog.
Ein zentrales Thema war die Situation rund um das Oberstufenschulhaus Kleefeld. Es hat sich als Hotspot für Jugendliche entwickelt, an dem Alkohol, Drogen und Gewalt zunehmend als Problem wahrgenommen werden. Gleichzeitig gibt es bereits Initiativen, die Situation zu verbessern: Vorkommnisse werden an einem monatlichen runden Tisch mit Fachpersonen, Polizei und Quartiersverein besprochen und Massnahmen ergriffen. Hier wäre aus meiner Sicht interessant, wenn am runden Tisch auch die Jugendlichen vertreten sein könnten.
Lobend hervorheben möchte ich die Präventionen im Umgang mit der digitalen Welt, Suchtmitteln oder Littering. Der Handlungsbedarf im Quartier ist aber auch klar benennbar: Das Quartier benötigt dringend einen Jugendtreff. Weiter sollten die Einsätze von zivilen Polizist*innen verstärkt werden, die gezielt das Gespräch mit Jugendlichen suchen. Es gilt, Angebote für Frühförderung und Tagesschulen auszubauen, um den Minderjährigen eine klare Struktur zu geben und Sprachkompetenzen zu vermitteln. Dies wäre eine nachhaltige Investition für ein gelingendes Aufwachsen und ein Zusammenleben in Vielfalt.
Beeindruckt war ich von den Initiativen der Bewohner*innen. Ob es nun Veloflick-Aktionen, Putzaktionen gegen Littering, Kinderfussballturniere oder Filmwettbewerb mit Open-Air-Kinoaufführung sind. Gleichzeitig fehlt es an materieller und personeller Unterstützung: Der Sandkasten wird nicht erneuert und es ist sehr schwierig, Sponsor*innen für zwei Fussballtore zu finden. Zudem sind nicht alle Eltern (mit oder ohne Migrationshintergrund) dazu zu gewinnen, sich in der Elternbildung zu engagieren und sich gemeinsam für die Kinder stark zu machen. Hier zeigt sich konkret ein Unterschied zu Quartieren mit besseren Ressourcen. Dort werden das Quartier gesäubert oder Kindern und Jugendlichen selbstverständlich schulhausnahe Freizeitaktivitäten geboten.
Wenn ich nach den verschiedenen Anspruchsgruppen frage, sehe ich auch Unterschiede. Während Angebote für Kinder bereits von Vereinen oder Privaten organisiert werden, fehlt es an Wissen, Methoden, Ressourcen und Angeboten für Jugendliche. Hier stehen die engagierten ehrenamtlichen Mitglieder der Quartiervereine an. Die offene Kinder- und Jugendarbeit könnte hier einen wichtigen Beitrag leisten, wenn dies von der Gemeinde und dem Kanton als Massnahme angeordnet und unterstützt würde. Hierzu ist ein weiterer Dialog zwischen Anliegen der Quartierbewohner*innen und politischen Entscheidungsträger*innen gefragt.
Abschliessend möchte ich dem Berner Regierungsratspräsidenten Philippe Müller danken, dass er sich die Zeit nahm, vor Ort keine Berührungsängste zeigte und sich für die Herausforderungen der Bewohner*innen interessierte. Ebenso möchte ich den engagierten Bewohner*innen und Mitgliedern der Quartiervereine meinen Respekt und meine Anerkennung für ihre tolle Arbeit aussprechen. Mit der richtigen Unterstützung könnten die identifizierten Herausforderungen noch besser angegangen werden. Dies würde den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken und die Jugendkriminalität verringern. Ich nehme die Begegnung als ermutigendes Zeichen des gesellschaftlichen Dialogs wahr. Mir scheint, dass das Treffen auch bei Regierungsrat Müller diesen Eindruck hinterlassen hat. Deshalb hoffe ich auf sein handfestes Engagement für die vielfältigen Initiativen. Die Investition ist es wert, das kann ich aus Sicht der Forschung bestätigen.
Beteiligte Quartiersvereine
Teilnehmer*innen Quartiersbegehung
- Andrea Blaser, stv. Generalsekretärin, GS SID
- Prof. Emanuela Chiapparini, Leiterin Institut Kindheit, Jugend und Familie, BFH
- Florian Hirte, stv. Generalsekretär, GS SID
- Adrian Kägi, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, GS SID
- Luciana Keiser, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, GS SID
- Hanspeter Mäusli, Bezirkschef Wache Bümpliz, Kantonspolizei Bern
- Cédric Meyrat, Generalsekretär der kantonalen Sicherheitsdirektion (SID)
- Regierungspräsident Philippe Müller, kantonaler Sicherheitsdirektor
- Barbara Tschann, Leiterin Politik und Information, GS SID
- Lars Würgler, Fotograf der Agentur Lymbus
Vertreter*innen aus dem Quartier:
- Kurt Beutler, IG Kleefeld / Bewohner Kleefeld
- Agnes Nienhaus, Vize-Präsidentin QBB
- Brigitte Schletti, Quartierarbeiterin VBG
- Houwayda Schöni, Präsidentin IG Kleefeld / Bewohnerin Kleefeld
- Bastian Stalder, Co-Schulleiter Schule Bümpliz