Jennifer Adam – «Ich bin von Routinearbeiten schnell gelangweilt»
Die 25-jährige Jennifer Adam arbeitet an einer Online-Plattform, auf der Frauen «bescheidene Kleidung» finden, mit der sie möglichst wenig Haut zeigen. Sie baut dabei auf Toleranz in der Gesellschaft und will als erfolgreiche Unternehmerin nachhaltige Spuren hinterlassen.
Frau Adam, hatten Sie als Mädchen einen Traumberuf?
Ja, ich wollte Archäologin werden. Bei uns zuhause im österreichischen Villach gab es archäologische Ausgrabungen, die mich sehr fasziniert haben – allein schon deshalb, weil es ein ziemliches Ereignis in unserer Stadt war. Und sicher war ich auch durch meinen ägyptischen Vater ein bisschen für die Thematik sensibilisiert.
Warum sind Sie es nicht geworden?
Ich interessiere mich nach wie vor für das Thema. Aber es kamen natürliche weitere interessante Berufsfelder dazu, bei denen die Karriereaussichten auch etwas besser waren (lacht.) Ich entschied mich dann für eine Lehre als Hotel- und Gastgewerbeassistentin. Dazu absolvierte ich berufsbegleitend abends die Matura, weil ich meinen Horizont erweitern wollte und bereits ein Studium im Hinterkopf hatte. Das war manchmal hart, aber es hat sich ausgezahlt.
Nun wohnen Sie wie Ihr Vater in Biel und studieren Wirtschaftsingenieurwesen an der BFH. Weshalb?
Technik fasziniert mich sehr, aber eben auch viele andere Bereiche. Deshalb kam für mich ein rein technisches Studium nicht in Frage, sondern eher etwas an der Schnittstelle zwischen Technik und Betriebswirtschaft. Das Studium Wirtschaftsingenieurwesen teilt sich in die Teile Technik, Informatik und Wirtschaft. Mein Schwerpunkt Business Engineering fokussiert auf die Digitalisierung. Ich habe gemerkt: Ich brauche Abwechslung und Perspektiven, ich bin gerne kreativ und von Routinearbeiten schnell gelangweilt. Für mich ist klar, dass ich später gerne etwas Eigenes haben möchte.
Zum Beispiel die Online-Plattform «Modest Fashion».
Ja, genau, mit deren Aufbau werde ich mich voraussichtlich in meiner Bachelor-Arbeit beschäftigen. Dort sollen vor allem Frauen Kleider finden, die etwas weniger Haut zeigen wollen. Ich als praktizierende und stolze Muslima bin dafür natürlich besonders sensibilisiert. Aber es geht auf dieser Plattform längst nicht nur um religiöse Kleidung.
Warum hat eine solche Plattform unternehmerisches Potenzial?
Im Rahmen eines Moduls an der BFH habe ich eine Marktanalyse gemacht und mit möglichen Kundinnen und Händlern gesprochen. Dabei hat sich gezeigt: Es gibt ein wachsendes Bedürfnis nach bescheidener Kleidung. Angebot und Nachfrage sind da, nur die Verbindung dazwischen ist noch nicht wirklich «stabil». Denn sucht man heute nach solcher Kleidung, ist das mit beträchtlichem Aufwand verbunden. Ich möchte diverse Händler auf meiner Plattform vereinen, damit diese Suche deutlich einfacher wird. Diese Vermittlung zwischen Kundinnen und Händlern kann funktionieren, dafür gibt es ja auch schon einige Beispiele.
Welches sind die grössten Schwierigkeiten bei der Erarbeitung dieser Plattform?
Es braucht erst einmal eine gute Marketingstrategie, um möglichste viele Kundinnen auf die Plattform aufmerksam zu machen. Ich muss gute technische Partner finden, welche die Website attraktiv gestalten und benutzerfreundlich programmieren. Natürlich geht es auch darum, möglichst viele Händler für die Plattform zu gewinnen und mit ihnen Verträge abzuschliessen. Kann ich ein grosses Kundeninteresse dokumentieren, wird diese Suche natürlich einfacher. Ein grosses Risiko besteht dagegen bei den nicht geregelten Versandkonditionen.
Was meinen Sie damit?
Da die Plattform nur vermittelt, bleibt der Versand den Händlern überlassen. Bestellt eine Kundin mehrere Artikel bei unterschiedlichen Händlern, hat sie es mit unterschiedlichen Versandkonditionen und -kosten zu tun. Das kann abschreckend wirken.
Wie liesse sich das Problem lösen?
Zum Beispiel, indem ich als Betreiberin der Plattform alle Versandkosten übernehme, was natürlich wiederum Fragen zur Finanzierung aufwirft. Zudem sollte eine Sammelbestellung nicht in fünf verschiedenen Paketen bei der Kundin ankommen, sondern in einem. Ich glaube aber, dass sich auch diese Versand-Probleme lösen lassen. Genauso glaube ich, dass die Nachfrage nach dieser Art von Kleidung auch in der westlichen Modebranche laufend steigen wird. In unserer Gesellschaft wird meiner Meinung nach «Diversity» immer grösser geschrieben, es steigt die Akzeptanz gegenüber unterschiedlichen Religionen, Ethnien, Einstellungen und sexuellen Orientierungen.
Warum werden Sie eine gute Unternehmerin sein?
Weil ich über das nötige Durchhaltevermögen verfüge. Ich bin bereit, viel zu investieren, weiss, dass es kein «9-to-5-job» ist. Schon heute habe ich immer Stift und Notizblock bei mir, um jederzeit neue Ideen notieren zu können, die ich dann später vertiefe. Die besten Ideen kommen mir in ganz alltäglichen Situationen, unterwegs oder im Fitnessstudio. Als Unternehmerin sollte man auch kritikfähig sein, allein schon deshalb, weil konstruktive Verbesserungsvorschläge gut für das Unternehmen sind. Und es ist enorm wichtig, ein gutes Team zu finden, Leute, die Dinge beherrschen, die man selber vielleicht nicht so gut kann.
Woran müssen Sie noch arbeiten?
Genau daran: Dinge abgeben zu können. Nicht, weil ich anderen Menschen nicht vertraue. Schon eher, weil ich es ein bisschen wie ein persönliches Scheitern verstehe, wenn ich etwas selber nicht leisten kann. Aber genau das ist eben für eine gute Unternehmerin auch wichtig: Dass man ein mögliches Scheitern eines Start-ups nicht als Niederlage begreift, sondern daraus lernt und Erkenntnisse und neue Energie für einen weiteren Versuch gewinnt.
Wo möchten Sie in 10 Jahren stehen?
Vor allem möchte ich da eine eigene Familie haben (lacht.) Und ich wünsche mir, ein wirtschaftlich erfolgreiches, eigenes Unternehmens betreiben zu können, sei dies mit «Modest Fashion» oder einem anderen Projekt. Dies vor allem deshalb, weil finanzieller Erfolg örtliche und zeitliche Unabhängigkeit bedeutet. Entscheidend ist auch, dass ich mit meinem Unternehmen einen sinnvollen gesellschaftlichen Beitrag leiste und auch wohltätige Projekte unterstütze. Es ist mir wichtig, nachhaltige Spuren zu hinterlassen.
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