KI-Anwendungen zwischen Ethik und Technik

12.09.2024 Das neu gegründete Generative AI Lab der BFH-TI erforscht und ­entwickelt generative KI-Technologien und unterstützt KMU, Start-ups und Behörden bei deren Anwendung. Dabei stellen sich ­sowohl technische wie auch ethische Fragen.

Text: Peter Bader

Künstliche Intelligenz (KI, oder englisch Artificial Intelligence, AI) hat in den vergangenen Jahren das Interesse einer breiten Öffentlichkeit erlangt. Das liegt nicht zuletzt an der Generativen KI: Diese Technologie generiert anhand von Vorgaben und vorhandenen Daten neue Inhalte. Ein Beispiel dafür sind auf maschinellem Lernen beruhende Programme, mit deren Hilfe künstliche Bilder erstellt werden können. Das Feld der automatischen Textverarbeitung und -generierung (engl. Natural Language Processing NLP) erforscht die Beziehung zwischen Computern und menschlicher Sprache. Dank der Fortschritte im Bereich des maschinellen Lernens konnten so in den vergangenen Jahren Sprachmodelle entwickelt werden, mit denen sich unter anderem Texte erstellen lassen. Ein prominentes Beispiel dafür ist der Chatbot ChatGPT des US-amerikanischen Unternehmens OpenAI.

Kooperationen mit Unternehmen und Behörden

Die Anwendungsbereiche der Generativen KI sind vielfältig und umfassen Gesundheit, Wohlbefinden, Indus-trie, Kunst oder Kommunikation. Das Potenzial für Unternehmen ist entsprechend gross. Die Entscheide, wie die Technologien am besten eingesetzt werden, sind hingegen oftmals schwierig. Auch aus diesem Grund wurde in den vergangenen Monaten an der BFH das Generative AI Lab gegründet. Es ist aus der Forschungsgruppe Applied Machine Intelligence (AMI) entstanden, die bereits seit Jahren in Forschungs- und Entwicklungs­projekten im Bereich AI in diversen Branchen aktiv ist. Das Lab widmet sich in erster Linie der Erforschung und Weiterentwicklung der KI-Technologie bei der Erstellung von Texten, Bildern und Musik. Geleitet wird es von Prof. Dr. Mascha Kurpicz-Briki im Bereich der Sprachmodelle und von Dr. Souhir Ben Souissi im Bereich der Multimedia-Modelle.

Das Lab bietet Kooperationsmöglichkeiten mit KMU, Start-ups und Behörden, um diese bei der Anwendung der generativen KI zu unterstützen. Sprachmodelle haben zum Beispiel das Potenzial, Kommunikation und Informationsverarbeitung grundlegend zu verändern. Unternehmen bietet sich damit die Möglichkeit, Kundensupport, Rekrutierung, Inhaltserstellung oder Sprachübersetzungen auf der Grundlage vorhandener Daten digital zu unterstützen. Bei solchen Innovationen stellen sich sowohl technische wie ethische und gesellschaftliche Fragen. Der Begriff der humanen digitalen Transformation vereint diese beiden Aspekte. «Wir an der BFH verfolgen den Ansatz der Augmented Intelligence. Sie stellt den Menschen ins Zentrum, indem sie die KI mit dem menschlichen Urteilsvermögen verbindet», sagt Mascha Kurpicz-Briki. «Maschinen unterstützen dabei den Menschen und bieten ihm verschiedene Entscheidungshilfen. Die Entscheidung selber trifft dann aber in den meisten Fällen der Mensch.»

Auch KI hat Vorurteile

Das europäische Horizon-Projekt «BIAS: Mitigating Diversity Biases of AI in the Labor Market» erforscht sowohl technische wie auch gesellschaftlich-ethische Fragen. Bei der Anstellung oder Beförderung von Mit­arbeitenden setzen Firmen vermehrt auf Unterstützung durch KI. Das erleichtert und beschleunigt viele Arbeiten. Allerdings können auch KI-Systeme Personen diskriminieren, indem sie Vorurteile (engl. Bias) reproduzieren. Unter der Leitung von Mascha Kurpicz-Briki ist die BFH in diesem Projekt zuständig für die technischen Aspekte. Die Forschenden gehen der Frage nach, inwiefern gesellschaftliche Stereotypen bezüglich Alter, Herkunft oder Geschlecht in solchen Technologien vorhanden sind. Aus den Erkenntnissen des bis 2026 laufenden Projekts sollen schliesslich Schulungen und Richt­linien entstehen für Personalmanager*innen und Technologieentwickler*innen, die dafür sorgen, dass solche KI-Systeme möglichst unvoreingenommen funktionieren.

Im Bereich der Multimedia-Modelle erforscht das neue Lab verschiedene potenzielle Anwendungsfälle. Dabei geht es etwa um Algorithmen, die basierend auf einem Input von Benutzer*innen Melodien komponieren. Das kann sie zu einem nützlichen Werkzeug in verschiedenen Bereichen machen: Diese reichen von der Erstellung von Spielen, Virtual-Reality-Erlebnissen, Hintergrundmusik für Filme (massgeschneiderte Videos) bis zur Unterstützung therapeutischer und meditativer Praktiken durch massgeschneiderte Klanglandschaften.

«Anwendungen vorantreiben»

Souhir Ben Souissi leitete etwa eine interdisziplinäre Fallstudie in Zusammenarbeit mit dem Departement Kunst der BFH (Hochschule für Künste Bern, HKB). Dabei wurden Partituren für verschiedene Musikgenres sowohl im kooperativen (Mensch / Maschine) als auch im semi-unabhängigen Modus erstellt. Darüber hinaus wurden Musiktexte – Erzählungen und Liedtexte – mit Hilfe grosser Sprachmodelle (z. B. GPT-4) generiert. Untersucht wurde zudem die Echtzeit-Generierung von Visualisierungen (Projektionen von Bildern und Videosequenzen), die Live-Musikaufführungen begleiten können.

Ein unlängst durchgeführter Workshop thematisierte generative Technologien, die die Gesundheit der Menschen verbessern, indem sie Stress bekämpfen oder Therapien unterstützen. Zum Beispiel können Chatbots oder Coaching-Technologien herkömmliche Psycho-therapien ergänzen. Ein Anwendungsfall geht der Frage nach, inwiefern Generative AI die Kunsttherapie unterstützen kann – etwa, indem Patientinnen und Patienten virtuelle Kunstwerke erstellen.

Das Generative AI Lab der BFH hat noch viel vor: «Wir freuen uns darauf, die generativen KI-Technologien und ihre Anwendungen in der Schweiz voranzutreiben», sagt Souhir Ben Souissi.

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