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Weshalb an einer Fachhochschule studieren?
05.12.2022 Die Vorteile eines Studiums an einer Fachhochschule sind mannigfaltig. Stefan Grösser, Leiter Wirtschaftsingenieurwesen, beantwortete im «Primus», dem Magazin für Maturand*innen und Lehrabgänger*innen, die Fragen zum Studium an einer Fachhochschule.
Herr Grösser, warum soll ich mich für ein Studium an einer Fachhochschule entscheiden?
Ein Studium an einer Fachhochschule ist praxisorientiert und wissenschaftlich fundiert. Studien zeigen erstens, dass Absolventinnen und Absolventen von Fachhochschulen meist schneller einen Arbeitsplatz finden als jene von Universitäten. Zweitens sind die Studiengänge auf die Bedürfnisse von Industrie und Wirtschaft ausgerichtet. Der Grund ist, dass Fachhochschulen die Studierenden berufsqualifizierender ausbilden: Das Ziel ist, dass eine Absolventin oder ein Absolvent direkt nach dem Abschluss in einem Unternehmen oder einer Organisation sehr schnell wirksam werden kann.
Welche persönlichen Voraussetzungen sollte man für ein FH-Studium mitbringen?
Die persönlichen Voraussetzungen sind Spass am Verständnis von Modellen und deren konkreter Anwendung sowie Freude am wissenschaftlichen Arbeiten. Generell sollte man wissbegierig sein und eine nachhaltige Motivation mitbringen, Neues zu lernen.
Welche Abschlüsse sind an Schweizer FH möglich – was ist üblich?
An Schweizer Fachhochschulen können in der Regel Bachelor- und Master-Abschlüsse erreicht werden. Der Bachelor ist der erste Hochschulabschluss, dauert drei Jahre und umfasst 180 ECTS. Je nach Hochschule und Studienrichtung kann diese Regelstudienzeit verlängert werden, beispielsweise im Teilzeitformat. Master-Abschlüsse als zweiter Hochschulabschluss umfassen 90 bis 120 ECTS. Ein grosser Teil der Studierenden steigt nach dem Abschluss des Bachelors in die Arbeitswelt ein, um weitere Berufserfahrung zu sammeln und die Inhalte des Studiums einzubringen. Ein Anteil der Bachelor-Absolventinnen und -Absolventen entschliesst sich nach rund zwei bis fünf Jahren zu einem Master-Studium. Unserer Erfahrung nach ist dies sehr von den Branchen und dem Fachgebiet abhängig. So ist beispielsweise in Ingenieurs- und Informatikstudiengängen der Anteil an Studierenden im Master geringer, da die Nachfrage im Arbeitsmarkt nach dieser Ausbildung ungebrochen gross ist.
Wie sieht ein klassisches FH-Studium aus?
Ein Studium besteht aus Vorlesungen, Übungseinheiten zur Anwendung und Reflexion der Inhalte, wissenschaftlichen Praxisprojekten und je nach Studiengang auch aus Experimental-Laboren. Oft kommen Referentinnen und Referenten aus der Praxis in Vorlesungen oder bei Projektbetreuungen zum Einsatz. Die Vorlesungen und Übungen erfolgen dabei meist im Klassenformat mit 15 bis 40 Studierenden. Eine allgemein gültige Aufteilung von Theorie- und Praxisanteilen für alle Studiengänge zu geben, ist nicht möglich. Es ist vielmehr eine Grundhaltung, die angegeben werden kann: Sämtliche Inhalte einer Vorlesung werden direkt in den Praxisbezug gesetzt. So werden zum Beispiel in mathematischen Modulen die behandelten Inhalte direkt auf Gegenstandsbereiche des späteren Einsatzgebiets angewendet. Die Studierenden folgen dabei meist Voll- oder Teilzeitmodellen mit einer Studiendauer von drei respektive vier bis viereinhalb Jahren im Bachelor und eineinhalb bis drei Jahren im Master. Durch die Umstände der Corona-Pandemie haben Hochschulen die klassische Präsenzlehre durch synchrone und asynchrone Angebote im Hybrid- oder nur Online-Modus erweitert. Hier entstand ein breites Spektrum an Studienmöglichkeiten. Meiner Meinung nach sind diese Varianten aktuell zu reichhaltig. Die Zeit wird zeigen, welche Varianten sich nachhaltig positiv auf die Lernmotivation der Studierenden, das Lernverhalten und schliesslich den Kompetenzaufbau auswirken.
Sind die Ausbildungen an den Schweizer Fachhochschulen einheitlich?
Die Ausbildungen sind insofern einheitlich, als dass Bachelor- und Master- Studiengänge gemäss dem Bologna-System mittels Kreditpunkten organisiert sind. Die Studiendauern, der Umfang von einzelnen Modulen und auch ein Kompetenznachweis nach Abschluss eines Moduls sind einheitlich geregelt. Die Ausbildungen sind jedoch auch unterschiedlich. Die Inhalte in den verschiedenen Studiengängen unterscheiden sich. Sogar bei Studiengängen mit gleichem Namen an verschiedenen Hochschulen sind andere Themen als Schwerpunkte gesetzt.
Wie muss man sich ein berufsbegleitendes Studium vorstellen?
Studierende an Fachhochschulen haben häufig bereits eine Berufsausbildung. Das berufsbegleitende Studium nutzt diesen Umstand und ermöglicht es Studierenden, parallel zum Studium zu arbeiten. Der Umfang der Beschäftigungstätigkeit liegt dabei meist bei 50 Prozent. Die restlichen 50 Prozent werden dem Studium gewidmet. Studierende sind zum Beispiel zweieinhalb Tage in der Woche an der Hochschule und die restliche Zeit im Betrieb. Das Ziel des berufsbegleitenden Studiums ist es auch, die Inhalte der Vorlesungen durch die Studierenden im Arbeitsalltag direkt einzubringen. So können zum Beispiel Projektarbeiten für Unternehmen direkt anwendungsorientiert genutzt werden.
Wie sind die Berufseinstiegschancen mit einem FH-Abschluss?
Der Bedarf nach FH-Absolventinnen und -Absolventen ist gross. Dabei ist die Nachfrage in den Branchen unterschiedlich. So werden zum Beispiel Absolventinnen und Absolventen aus dem Bereich Gesundheit sowie aus Studiengängen mit einem Fokus zu Digitalisierung von Unternehmen und Branchen mit offenen Armen empfangen. Generell sind die Einstiegschancen von FH-Abgängerinnen und -Abgängern hervorragend bis gut. Ausschlaggebend ist dabei jeweils die aktuelle Nachfrage auf dem spezifischen Arbeitsmarkt. An einem FH-Studium Interessierten rate ich, für die Wahl des Studiums die Arbeitsmarktsituationen genau zu betrachten. Bei manchen Studiengängen kann man mit einer «Jobgarantie» rechnen. Also sehr rosige Aussichten.
Gibt es an Schweizer FH auch die Möglichkeit zu Austauschsemestern – vielleicht auch im Ausland?
Natürlich. Viele Fachhochschulen offerieren hier interessante Austauschmöglichkeiten. Die Austauschmöglichkeiten beziehen sich vordergründig auf das europäische Ausland, jedoch sind auch Auslandssemester ausserhalb Europas möglich, wie zum Beispiel in den USA oder in Fernost.
Wie ist die Durchlässigkeit zu anderen Hochschultypen – ist es etwa möglich, mit einem FH-Bachelor einen Uni-Master zu machen?
Die Durchlässigkeit ist generell vorhanden. Dies ist jedoch immer abhängig vom Fachgebiet des Bachelor-Abschlusses, der Abschlussnote sowie den Anforderungen der Universität. Wir sehen über die Jahre ein stabiles Interesse von FH-Bachelor-Absolventinnen und -Absolventen, an der Universität einen Master zu absolvieren. Teilweise muss man eine Anpassungsleistung erbringen, zum Beispiel im Umfang von 30 ECTS, also einem Semester.
Was zeichnet Ihre Hochschule aus?
Die Berner Fachhochschule ist eine anwendungsorientierte Hochschule, die 1997 gegründet wurde. Sie besteht aus sieben Departementen sowie der Eidg. Hochschule für Sport Magglingen EHSM, die der BFH angegliedert ist. An der Berner Fachhochschule wird grosses Gewicht auf ein praxisorientiertes, interdisziplinäres und berufsbefähigendes Studium gelegt. Strategisch werden die Themen Nachhaltigkeit, unternehmerisches Denken und Handeln sowie Digitalisierung verfolgt, welche sich auch in den Studiengängen entsprechend niederschlagen.
Das Interview erschien bereits im September 2022 im Primus für Maturand*innen und erscheint erneut im Dezember 2022 im Primus für Lehrabgänger*innen.
Unser Tipp für Maturand*innen
Speziell für Inhaber*innen einer gymnasialen Maturität oder einer fachfremden Berufsmaturität bietet sich das praxisorientierte Bachelor-Studium (PiBS) an – mit dem PiBS gelingt der direkte Einstieg ins Bachelor-Studium ohne Zwischenjahr. Praxiserfahrung wird im Teilzeitstudienmodell berufsbegleitend angeeignet.