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Ein neues technologisches Zeitalter gestalten
12.09.2024 Künstliche Intelligenz (KI) ist momentan in aller Munde. KI-Technologien drängen in unseren Alltag und sorgen für einen rasanten Wandel von Berufsbildern. An der BFH-TI ist KI fester Bestandteil der Forschung und verändert auch die Lehre – mit klaren Zielsetzungen.
Text: Peter Bader
Künstliche Intelligenz kommt in unserem Alltag bereits an vielen Orten zum Einsatz: Bei Suchmaschinen und Übersetzungsprogrammen, bei Navigationssystemen im Auto oder bei der Fehlersuche in der Industrie. Hinter der KI verbirgt sich das Prinzip des Maschinellen Lernens. Dabei wird der Computer mit vorhandenen Daten trainiert, um Aufgaben mit ähnlichen Daten zu lösen und so zum Beispiel Prognosen für die Zukunft stellen zu können. Das Prinzip des Maschinellen Lernens war bereits in den 1960er-Jahren bekannt, gewann aber erst Anfang der 2000er-Jahre an Bedeutung: Im Zug verbesserter Hardware und grösserer Daten-mengen (Big Data) erzielte die KI erstmals gute Resultate. Spätestens seit der Einführung des Chatbots ChatGPT im Jahr 2022 ist klar, dass KI-Technologien das Potenzial haben, die Art und Weise, wie wir arbeiten oder lernen, grundlegend zu verändern.
Unterstützung für den Menschen
Auch deshalb ist das Thema mit grossen Ängsten verbunden: Es geht um die Befürchtung, der Mensch könnte an manchen Stellen von der KI komplett ersetzt werden. Die BFH-TI verfolgt einen anderen Ansatz: «KI-Technologien sollen den Menschen unterstützen und nicht ersetzen», sagt Prof. Dr. Mascha Kurpicz-Briki, Co-Leiterin des neu gegründeten Generative AI Lab (siehe auch Text ab Seite 10).
Rund um das Thema KI sind an der BFH-TI neue Studiengänge und Weiterbildungsangebote entstanden. Seit letztem Herbst bietet sie den neuen Bachelor-Studiengang «Data Engineering» an. Er kombiniert Software Engineering mit maschinellem Lernen und Daten-Analytik und «ist so eine optimale Grundlage für die rasant wachsenden Berufsbilder im Kontext von KI und Software-Entwicklung», wie Peter Brunner betont, Leiter Forschung und Dienstleistung des Departements Technik und Informatik. In der Weiterbildung sind KI und Machine Learning feste Bestandteile des MAS «Data Science». Klassische Datenanalyse-Ansätze werden im CAS «Datenanalyse» thematisiert, Deep Reinforcement Learning im CAS «Artificial Intelligence».
Von Roboter bis Röntgenbilder
Die Forschung ist auch beim Thema KI darauf angelegt, konkrete Probleme zu lösen. «Wie immer an der BFH-TI steht der Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Praxis im Zentrum», sagt Peter Brunner. Die nachfolgende kleine Auswahl an Projekten illustriert die thematische Bandbreite der KI-Forschung an der BFH-TI.
Robotik:
Im Rahmen einer Bachelorarbeit entwickelte Florian Burri als Absolvent des Studiengangs Mikro- und Medizintechnik der BFH-TI ein neuartiges «Griff-in-die-Kiste»-System, das auf Deep Learning und einem Konzept des Schweizer Innovationszentrums (CSEM) basiert. Dabei greift ein Roboterarm Teile aus einer Kiste für die weitere industrielle Verwendung. Das neu entwickelte System erlaubt den Einsatz günstiger Hardware ohne Einbussen bei der Orientierungsfähigkeit des Roboters. Je nach Komponenten kann es über Nacht mit künstlich hergestellten Daten trainiert werden und funktioniert dann auf Anhieb mit echten Daten. Es zeigte gute Resultate mit kleinen und metallisch stark reflektierenden Teilen. Der freiburgische Industrieanlagen-Hersteller asyril entwickelte zusammen mit CSEM (wo Florian Burri jetzt angestellt ist) das System weiter, das nun von asyril im neuen Produkt «Merlin» angeboten wird.
Umwelt:
Der Klimawandel wird die Schweizer Gewässer in den kommenden Jahrzehnten voraussichtlich stark beeinflussen. Für Menschen, Tiere, Pflanzen und industrielle Anwendungen ist nicht nur die Verfügbarkeit von Wasser entscheidend, sondern auch die Temperatur. Daher sind langfristige Temperaturvorhersagen unerlässlich. Mit den derzeitigen Techniken würde jedoch selbst ein Supercomputer mehrere Jahre benötigen, um die Temperaturen von Fliessgewässern über einen grossen räumlichen und zeitlichen Bereich genau zu simulieren. Unter der Leitung von Prof. Vidushi Christina Bigler wird derzeit an der BFH-TI ein effizienterer Ansatz auf Basis von Deep Learning und Graphentheorie entwickelt. Die Ergebnisse des Projekts dürften die Bewirtschaftung der Wasserressourcen in der Schweiz erheblich beeinflussen.
Medizin:
In der Radiologie herrschen hoher Arbeitsdruck und ökonomische Zwänge. Unter der Leitung von Prof. Kerstin Denecke entwickelt die BFH-TI im Rahmen des Projekts «Smaragd» zusammen mit dem Inselspital Bern Erleichterungen im Behandlungsalltag: Zum einen soll das Aufnahme- und Anamnese-Gespräch mit Patient*innen per Chatbot geführt werden. Zum anderen sollen Befund-Berichte der Radiolog*innen auf Basis von Large Language Models (LLMs) strukturiert und so die relevantesten Informationen für weitere Behandlungen priorisiert werden.
Automobiltechnik:
Der «Matte-Schnägg» wurde als komplett autonom fahrender Kleinbus von den Berner Verkehrsbetrieben in einem Pilotversuch von 2019 bis 2021 getestet. Es zeigte sich: Für zuverlässige Fahrten von der Haltestelle bis zur Haustür (letzte Meile) taugte er noch nicht. Unter der Leitung von Prof. Peter Affolter übernahm die BFH-TI das Fahrzeug und ist nun daran, es zu verbessern: Mit der Integration von modernen KI-Algorithmen erkennt es Strasse, Hindernisse und andere Verkehrsteilnehmer*innen zuverlässiger und fügt sich damit geschmeidiger in den Verkehrsfluss ein. Mit dem Versuchsgelände in Vauffelin und eigenen Fahrzeugen ist es das Ziel der BFH-TI, ein Forschungs- und Testzentrum für autonomes Fahren für Wirtschaft, Industrie und Behörden zu werden.
Batterien:
Das Batteriesystemlabor der BFH-TI entwickelt Algorithmen zur Abschätzung des Gesundheitszustands (SOH) und der Restnutzungsdauer von Li-Ionen-Batterien. Der SOH etwa ist entscheidend für Elektrofahrzeuge, bei denen die Batterieleistung direkte Auswirkungen auf Reichweite, Sicherheit und Gesamteffizienz hat. Die Vorhersagen des KI-Toolkits sollen in Zukunft mit Methoden ergänzt werden, die den Umgang mit kleinen Datensätzen und die Quantifizierung von Unsicherheiten ermöglichen. Das soll die Vorhersagen präziser und verlässlicher machen, was in der Zusammenarbeit mit Industriepartner*innen entscheidend ist.
Editorial spirit biel/bienne 2/2024
KI: Praxisanwendungen aktiv mitgestalten
Fahrassistenten, Smart Home, Bildanalysen, Textverarbeitung, Gesichtserkennung: Die künstliche Intelligenz (KI) ist längst Teil unseres Alltags geworden. Am Departement Technik und Informatik (BFH-TI) spielt sie sowohl in der Lehre wie auch in der Forschung eine wichtige Rolle. Seit letztem Herbst bieten wir den Bachelor-Studiengang «Data Engineering» an. In einem von vielen Forschungsprojekten gehen wir mit einem Bundesamt der Frage nach, wie KI die Verwaltung effizienter und zugänglicher für die Bevölkerung machen kann.
Bei all dem stehen bei uns an der BFH-TI immer der Mensch und die konkreten Anwendungen in der Praxis im Zentrum. Es geht darum, wissenschaftliche Erkenntnisse für die Menschen nutzbar zu machen. Dabei gilt der Grundsatz: Maschinen unterstützen uns, aber wir bleiben immer im Führersitz und treffen damit noch bessere Entscheidungen.
Im Fokus steht die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine. Wie kann die Interaktion weiter verbessert werden? Wie kann das Wissen der KI immer auf dem neusten Stand gehalten werden? Das sind hoch interessante Fragestellungen an der Schnittstelle zwischen Informatik und Engineering, mit denen wir uns täglich in Lehre und angewandter Forschung beschäftigen.
Wir sind unterwegs auf einer spannenden Reise. Deshalb widmen wir diese zweite «spirit»-Ausgabe des Jahres unter anderem der KI. Lesen Sie dazu den Übersichtsartikel (oben) und den Bericht zu unserem neu gegründeten Generative AI Lab.
Erik Graf
Leiter Studiengang Data Engineering