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Faire Dienstpläne mit künstlicher Intelligenz?

17.10.2024 Dienstpläne für alle Beteiligten gerecht zu gestalten, ist eine Herausforderung. Für die Arbeitszufriedenheit sind aber ausgeglichene und an individuelle Bedürfnisse angepasste Dienstzeiten wichtig. Künstliche Intelligenz (KI) könnte helfen, die Dienstpläne fairer, effizienter und partizipativer zu erstellen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gerechte Dienstpläne in den Gesundheitsberufen sind eine Voraussetzung für die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.

  • Ein interdisziplinäres Forschungsteam der BFH entwickelt ein Planungstool, das mit künstlicher Intelligenz Dienste gerecht verteilen und individuelle Präferenzen berücksichtigen soll.

Können wir in die Berge Skifahren oder habe ich Wochenenddienst? Wer holt mein Kind aus der Kita ab, wenn ich Spätdienst habe? Die Dienstplanung beeinflusst das Arbeits- und Privatleben von vielen Menschen im Gesundheitswesen. Sie ist auch ein zentraler Faktor für den frühzeitigen Berufsausstieg, besonders im Pflegebereich. Verschiedene Studien zeigen, dass sich das Gesundheitspersonal mehr Gerechtigkeit und die Berücksichtigung individueller Präferenzen wünschen, um eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben zu erreichen und Stress zu reduzieren. Ist diese Flexibilität nicht vorhanden, wird oft ein Berufsaustritt ins Auge gefasst.

Gerechtigkeit erleichtert die Kooperation

Gerechtigkeit ist für die Arbeitszufriedenheit sowie für alle zwischenmenschlichen Kontakte innerhalb einer Organisation von zentraler Bedeutung. Menschen sind in sozialen Interaktionen eher bereit zu kooperieren, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Wünsche und Bedürfnisse berücksichtigt werden. Darum ist es wichtig, dass Dienstpläne gerecht und fair erstellt werden.

Gerechte und faire Dienstpläne sind das Ziel der meisten Verantwortlichen. Sie müssen unterschiedliche Wünsche koordinieren und oft unpopuläre Entscheide treffen. Ein Prozess, der viel Zeit und Nerven kostet. Eine Studie der BFH zeigt, dass diese Bemühungen trotzdem häufig von Subjektivität geprägt sind und damit nicht als fair wahrgenommen werden.

Die vier Dimensionen der Gerechtigkeit

Künstliche Intelligenz wird als fair wahrgenommen

Eine Möglichkeit zur Förderung der Fairness in der Dienstplanung besteht darin, einen unterstützenden KI-Algorithmus einzusetzen. KI könnte Dienste gerecht verteilen und auch individuelle Präferenzen berücksichtigen. «Eine KI kann von aussen als neutral und objektiv angesehen werden», erklärt Fabienne Renggli. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin forscht im Innovationsfeld «Gesundheitsversorgung und Personalentwicklung» an der BFH. Wichtig dabei sei, dass man mitgestalten und nachvollziehen kann, wie der Algorithmus arbeitet. Um herauszufinden, was die Betroffenen von einer KI-gestützten Dienstplanung halten, hat Fabienne Renggli mit ihren Kolleg*innen Fokusgruppeninterviews mit Pflegenden und Führungspersonen durchgeführt.

Die Effizienzsteigerung durch Zeitersparnis und der Einsatz von KI als neutrale Instanz werden von den Befragten als Vorteil anerkannt. «Die meisten erhoffen sich mehr Fairness und Gerechtigkeit von der KI», sagt Fabienne Renggli. Es gibt aber auch negative Stimmen: «Die Dienstplanung dient oft auch als Führungsinstrument,» erklärt die Pflegeforscherin, «dieses Instrument aus der Hand zu geben, fällt vielen nicht leicht.» Eine weitere Herausforderung ist das Ausfallsmanagement: Kurzfristige Absenzen machen oft menschliches Eingreifen nötig. Es gibt auch sehr spezifische Ansprüche und Prioritäten an einen intelligenten Dienstplan: «Die Spitex könnte von einer geographischen Optimierung bei der Planung der Routen ihrer Mitarbeitenden profitieren,» nennt Fabienne Renggli als Beispiel.

Einige Lösungen mit KI-Ansatz gibt es bereits auf dem Markt und haben ihren Weg in den Arbeitsalltag bereits gefunden. Die Rückmeldungen zu den bisherigen Erfahrungen damit sind jedoch sehr unterschiedlich. Gründe sind die teilweise mässige Nutzungsfreundlichkeit oder auch die unausgereifte KI in der Anwendung.

Partizipative Dienstplanung

Intelligentes Planungstool in Entwicklung

Basierend auf diesen Erkenntnissen entwickelt das interdisziplinäre Forschungsteam ein KI-gestütztes Verfahren für die Dienstplanung. Dieses soll nicht nur Dienste gerecht verteilen, sondern in Zukunft auch auf individuelle Wünsche eingehen. Der Algorithmus kann durch Rückmeldungen der Betroffenen zukünftige Resultate optimieren («Reinforced Learning»). Langfristig soll das Tool die Planung der Arbeitsdienste für Teams im Gesundheitswesen vereinfachen.

Das Forschungsteam der BFH sieht sowohl das Potenzial als auch die Grenzen der KI bei der Dienstplanung. «Die KI kann vielleicht die Dienstplanung fairer und effizienter gestalten, sie wird den Menschen aber nicht ersetzen», fasst Fabienne Renggli die Erkenntnisse zusammen. Wichtig sei, dass auch partizipative Ansätze bei der Dienstplanung umgesetzt werden. Dabei spielt die Teamdynamik eine wichtige Rolle: «Wenn die Dienstplanung gemeinsam und transparent erfolgt, hilft das sehr bei der Akzeptanz durch die Betroffenen», so Fabienne Renggli. Eine KI könnte diesen Prozess in Zukunft unterstützen.

Referenzen

Hofer, C., Schmid, E., Renggli, F.J. & Golz, Ch. (2024). Gerechtigkeit in der Dienstplanung: die Auswirkung auf die Arbeitszufriedenheit in der Pflege und die Sicht der Planungsverantwortlichen. In: HBScience, 15, S. 18–27. doi: 10.1007/s16024-024-00403-2

Peter, K.A., Voirol, C., Kunz, S., Gurtner, A., Renggli, F., Juvet, T. & Golz, Ch. (2024). Factors associated with health professionals’ stress reactions, job satisfaction, intention to leave and health-related outcomes in acute care, rehabilitation and psychiatric hospitals, nursing homes and home care organisations. In: BMC Health Services Research, 24. doi: 10.1186/s12913-024-10718-5

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