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Die Wirksamkeit der Patientenberatung erhöhen

26.03.2025 Prof. Ninetta Scura und Andrea Thutewohl sind überzeugt, dass Weiterbildungen in Ernährungs- und Beratungspsychologie Gesundheitsfachpersonen in ihrer Rolle stärken. So können sie Klient*innen wirksamer beraten, die wiederum ihr Essverhalten besser verstehen und bewusster beeinflussen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die neuen Fachkurse «Ernährungspsychologisch beraten und begleiten» und «Beratungspsychologie» erweitern das Weiterbildungsangebot der BFH im Bereich Angewandte Ernährungspsychologie.
  • Es ist wichtig, dass Gesundheitsfachpersonen unterscheiden können, ob ihre Interventionen den Veränderungsprozess im Bereich Ernährung und Motivation stärken oder ob sie das Verständnis für das Essverhalten erweitern. Diese Unterscheidung erhöht die Professionalität und Wirksamkeit der Beratung.
  • Der modulare Aufbau der Fachkurse ermöglicht eine flexible Zusammenstellung der CAS (Certificate of Advanced Studies), neu auch zu den Krankheitsbildern Adipositas und Essstörungen, je nach individuellem Vorwissen und Bedürfnissen der Teilnehmenden.
Fachkurs Ernährungspsychologisch beraten und begleiten

Mit den neuen Fachkursen «Ernährungspsychologisch beraten und begleiten» und «Beratungspsychologie» wird das Weiterbildungsangebot der BFH im Bereich Angewandte Ernährungspsychologie ausgebaut. Was sind die Gründe dafür?

In den letzten vier Jahren haben wir im CAS Angewandte Ernährungspsychologie im Austausch mit den Teilnehmenden wertvolle Erfahrungen gesammelt, die uns zu einer Weiterentwicklung des Angebots bewogen haben. Hinzu kommt, dass das Thema Essen in der Gesellschaft eine immer grössere Relevanz als Lifestylefaktor erhält und für die Stiftung von Identität und Zugehörigkeit steht.

Das bringt positive und negative Aspekte mit sich. Als negativen Trend können wir z. B. eine zunehmende Fixierung auf rigide Essregeln erkennen. Werden selbstauferlegte Regeln nicht erreicht, kommt es nicht selten zu einer Selbstentwertung der Person mit allen negativen Konsequenzen: Abspaltung von Kognition, Bedürfnissen und dem eigenen Körper mit der möglichen Folge von Essstörungen und Adipositas.

Uns erscheint es in diesem Kontext sehr wichtig, dass Fachpersonen in der Beratung unterscheiden können, ob sie mit ihren Interventionen einen Veränderungsprozess im Bereich der Ernährung anstossen oder ob sie ihr Gegenüber unterstützen, weitere Aspekte der Lebenssituation, die das Essen und das Essverhalten betreffen, besser zu verstehen. In einem Beratungsgespräch gehen beratungspsychologische und ernährungspsychologische Interventionen Hand in Hand. Die bewusste Unterscheidung, woran gerade gearbeitet wird, erhöht jedoch die Professionalität und Wirksamkeit. Für beide Parteien wird klarer, was von der Beratungssequenz an Veränderung erwartet werden kann.

Mit unseren Weiterbildungen möchten wir die Gesundheitsfachpersonen stärken, damit sie sich sicher und kompetent fühlen, in diesem Bereich einen wichtigen Beitrag zu leisten.

Zu den Personen

Prof. Ninetta Scura ist Dozentin an der Berner Fachhochschule im Fachbereich Ernährung und Diätetik. Ihre Schwerpunkte sind beraterische Interventionen in der Ernährungsberatung und Reflexion als didaktisches Hilfsmittel zur Entwicklung der professionellen Handlungskompetenz.

Andrea Thutewohl arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin mit den Schwerpunkten Ernährungspsychologie und Beratung bei Essstörungen im Fachbereich Ernährung und Diätetik an der Berner Fachhochschule.

Essverhalten kann nur mit dem gesamten Menschen und nicht nur mit dem «essenden Menschen» bearbeitet werden. Hier ist ernährungspsychologisches und beratungspsychologisches Wissen zentral.

  • Prof. Ninetta Scura Dozentin im Fachbereich Ernährung und Diätetik

Welche Kompetenzen und Kenntnisse können die Teilnehmenden durch diese Weiterbildungen erlangen?

Im Bereich der Beratungspsychologie geht es darum, das «Wie» der Beratung so zu gestalten, dass sie den Menschen wirklich erreicht. Die Beratungsbeziehung spielt dabei eine wichtige Rolle. Das Erkennen der persönlichen Motive und Werte hinter dem Ernährungsverhalten ist entscheidend für das Verständnis der Situation der zu beratenden Person. Gesundheitsfachpersonen müssen daher akzeptieren lernen, dass Wissen allein nicht zu Verhaltensänderungen führen muss.

Auch eine Kompetenzentwicklung im Bereich der Lebensmittelwahl, des Kochens und des Einkaufens genügt in den meisten Fällen nicht. Vielmehr geht es darum, einen Umgang mit den Ambivalenzen zu finden, die Menschen im Veränderungsprozess oft verspüren. Wir stützen uns dabei auf Theorien, die Verhaltensänderungen in Prozesse unterteilen. Dadurch können wir erfassen, an welchem Punkt sich die Menschen befinden, um daraus prozessangepasste Interventionen abzuleiten.

Ein weiterer Aspekt ist die Förderung der Veränderungsmotivation. Verhaltensänderungen folgen keinem linearen Prozess. «Das Leben spielt mit» und es wird immer wieder Herausforderungen geben, die sich auf die Motivation auswirken. Menschen in diesen Momenten individuell wahrzunehmen und zu unterstützen, bedeutet zu verstehen, wie Motivation beeinflusst wird und gezielt gefördert werden kann.

Die Ernährungspsychologie hingegen beschäftigt sich mit dem «Was»: Was beeinflusst das Essverhalten? Im Fachkurs «Ernährungspsychologisch beraten und begleiten» konzentrieren wir uns auf die Prägungen, Kognitionen, Emotionen und sozialen Interaktionen, die mit dem Essverhalten verknüpft sind. Wenn Essen eine Funktion übernimmt, die über das biologische Bedürfnis nach Nahrung, Nährstoffen und Energie hinausgeht und zu einer maladaptiven Kompensationsstrategie wird, manchmal sogar pathologische Züge annimmt, müssen wir dies verstehen und in der Beratung entsprechend handeln können. Neuropsychologische Grundlagen sind dabei ebenso wichtig, wie die Arbeit mit inneren Anteilen und der Umgang mit Emotionen. Die Teilnehmenden erwerben Kompetenzen in der Anwendung von Interventionen zur Emotionsregulation, z. B. zum Abbau von Stress und Ängsten.

Mehrwert der Unterteilung in «Wie» und «Was»

Mehrwert Unterteilung Wie und Was in der Ernährungspsychologie

Diese Abbildung veranschaulicht an einem möglichen Beispiel aus der Beratungspraxis die Unterscheidung des

  • WIE = Beratungspsychologie als Prozessbegleitung zur Verhaltensänderung
  • WAS = Ernährungspsychologie, die sich auf das Essverhalten konzentriert (emotionales Essen) und Ernährungstherapie, deren Interventionen durch das Krankheitsbild und die Symptome (Diabetes, erhöhter Blutzucker) bestimmt werden.

Wenn Essen eine Funktion übernimmt, die über das biologische Bedürfnis nach Nahrung, Nährstoffen und Energie hinausgeht und zu einer maladaptiven Kompensationsstrategie wird, manchmal sogar pathologische Züge annimmt, müssen wir dies verstehen und in der Beratung entsprechend handeln können.

  • Andrea Thutewohl wissenschaftl. Mitarbeiterin im Fachbereich Ernährung und Diätetik

Was sind die Vorteile des modularen Aufbaus mit vier Fachkursen, die für die verschiedenen CAS angerechnet werden können?

Ein zentraler Aspekt für die Konzeption der vier Fachkurse ist die Überzeugung, die Themen Beratungspsychologie und Ernährungspsychologie aus den oben genannten Gründen zu trennen. Zudem haben wir während des CAS Angewandte Ernährungspsychologie bemerkt, dass ein grosser Bedarf vorhanden ist, sich vertieft mit den herausfordernden Themen Adipositas und Essstörungen auseinanderzusetzen. Diesem Bedürfnis im CAS genügend Raum zu geben, hätte den Rahmen des Studiengangs gesprengt. Beide Themen sind so komplex, dass wir ihnen mit je einem eigenen Fachkurs Rechnung tragen wollen.

Es ist nun möglich, den CAS wie in einem Baukastensystem je nach individuellen Vorkenntnissen zusammenzustellen. Durch die Aufgliederung des CAS Angewandte Ernährungspsychologie in die beiden Fachkurse «Ernährungspsychologisch beraten und begleiten» und «Beratungspsychologie» können die Teilnehmenden aus fünf verschiedenen Varianten wählen, was eine hohe Flexibilität ermöglicht. So können die Teilnehmenden einen oder mehrere CAS nach ihren Bedürfnissen und ihrer Berufspraxis zusammenstellen.

kurze, prägnante Zusammenfassung, was auf dem Bild zu sehen ist und das Linkziel, falls Bild verlinkt ist.

Unsere Weiterbildungen eröffnen den Weg zu einer Professionsentwicklung mit mehr Spielraum für das eigene beraterische Handeln und last but not least mehr Zufriedenheit mit dem eigenen Tun, weil das eigene Gefühl der Selbstwirksamkeit gestärkt wird.

  • Prof. Ninetta Scura Dozentin im Fachbereich Ernährung und Diätetik

Welche beruflichen Vorteile erzielen Teilnehmende durch die Weiterbildung?

Sie gewinnen ein bewussteres Handeln in der Beratung und können dadurch die Wirksamkeit der Beratung erhöhen. Sie sind in der Lage, neben der Edukation weitere Interventionen vorzunehmen, die das Klientel bei der Bewältigung von herausfordernden Situationen unterstützen.

Essverhalten, besonders dann, wenn es Leiden verursacht, kann nur mit dem gesamten Menschen und nicht nur mit dem «essenden Menschen» bearbeitet werden. Hier ist ernährungspsychologisches und beratungspsychologisches Wissen zentral.  Dank der Ernährungspsychologie verstehen wir, was Menschen dazu führt, Essen als Kompensationsstrategie zu nutzen und wie diese maladaptiven und langfristig wenig hilfreichen Strategien entstehen. Wenn wir den Menschen ihre Copingstrategien «wegnehmen», werden die dahinter liegenden Emotionen und unerfüllten Bedürfnisse sichtbar und spürbar. Darauf müssen wir als Gesundheitsfachpersonen vorbereitet sein und entsprechende Interventionen anbieten können.

Unsere Weiterbildungen eröffnen den Weg zu einer Professionsentwicklung mit mehr Spielraum für das eigene beraterische Handeln und last but not least mehr Zufriedenheit mit dem eigenen Tun, weil das eigene Gefühl der Selbstwirksamkeit gestärkt wird.

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