Neuer Leitfaden zur Stärkung der Kinderrechte im Kindesschutzverfahren

06.08.2024 Die Partizipationsrechte von Minderjährigen in Kindesschutzverfahren stärken, dies will ein neuer Leitfaden der BFH. Er ist das Resultat eines Forschungsprojekts, für das Jugendliche und Fachpersonen befragt wurden. Das Ziel ist, Kinder und Jugendliche altersgerecht in Entscheidungen der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB) einzubeziehen. Eine wichtige Rolle fällt dabei Kinderanwält*innen, wie Kindesvertreter*innen häufig genannt werden, zu.

«Der Leitfaden zur Kindesvertretung in Verfahren der KESB bietet konkrete Empfehlungen zur Rollenklärung und Zusammenarbeit, um sicherzustellen, dass keine wichtigen Aspekte übersehen werden und die Partizipationsrechte der Kinder und Jugendlichen gewahrt bleiben», sagt Regina Jenzer, Co-Leiterin des Forschungsprojekts. 

Kindesvertreter*innen haben die Aufgabe, den Willen des Kindes zu vertreten und seine Rechte zu wahren, wobei sie auch das objektive Kindeswohl im Blick behalten. Die Studie der BFH zeigt, dass sich Jugendliche durch die Kindesvertretung gehört und ernst genommen fühlen. Sie erhalten dank ihr emotionale Unterstützung und Sicherheit im Verfahren, was ihr Selbstwirksamkeitserleben stärkt.

Der Leitfaden betont die Bedeutung der kindgerechten Partizipation im Kindesschutzverfahren. Kinder sollten umfassend informiert und in Entscheidungen einbezogen werden. 

Das folgende Beispiel illustriert das Vorgehen:

Die 14-jährige Anna (Name geändert) wurde als Kleinkind massiv vernachlässigt. Mit vier Jahren veranlasste die KESB eine ausserfamiliäre Platzierung. Sie kommt in eine Institution. Nach einiger Zeit hält sich Anna nicht mehr an die dortigen Regeln. Anna äussert gegenüber ihrer Beiständin den Wunsch, wieder bei ihrer Mutter zu wohnen. Die Beiständin informiert die KESB darüber. Die KESB eröffnet ein Kindesschutzverfahren und setzt eine Kindesvertretung nach Art. 314 abis des Schweizerischen Zivilgesetzbuches ZGB ein. Die Kindesvertretung von Anna kann ihren starken Wunsch, wieder bei ihrer Mutter zu wohnen, mit differenzierten Argumenten an die KESB übermitteln. Die Rückkehr zur Mutter wird in Zusammenarbeit von KESB, Beiständin und Kindesvertretung sorgfältig vorbereitet und ermöglicht (vgl. auch Vorabdruck des Artikels «Kinder stärken in Kindesschutzverfahren» , erscheint am 2. September im Fachmagazin des Departements Soziale Arbeit der BFH).

Der neue Leitfaden entstand aus den Ergebnissen des Forschungsprojekts Besserer Kindesschutz durch kindfokussierte Zusammenarbeit im KESB-Verfahren. Dieses Projekt wurde von der Paul-Schiller-Stiftung und der BFH finanziert. Es untersuchte Kindesschutzfälle mit eingesetzter Kindesvertretung in fünf Kantonen. Dabei führten die Forschenden Interviews mit Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 22 Jahren, die zum Zeitpunkt des Verfahrens zwischen neun und 16 Jahre alt waren. Die Publikation mit den vollständigen Studienergebnissen erscheint 2025.

Kontakt

Regina Jenzer, Dozentin Kindes- und Erwachsenenschutz, regina.jenzer@bfh.ch; Tel.: +41 31 848 36 94 steht Ihnen stellvertretend für das Autor*innen-Team des Leitfadens für weitere Informationen oder für ein Interview zur Verfügung. Bei Interesse kann sie Ihnen auch ein Interview mit Katja Kobel, Behördenmitglied der KESB Stadt Bern vermitteln. Katja Kobel war an der Ausarbeitung der Handlungsempfehlungen des Leitfadens mitbeteiligt.
 

Alternativer Text
Kindesvertreter*innen stärken die Rechte Minderjähriger in Kindesschutzverfahren.

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Fachgebiet: Forschung, Medienmitteilung, Soziale Arbeit