Besserer Kindesschutz durch kindfokussierte Zusammenarbeit im KESB-Verfahren

Die Studie untersucht Kindesschutzverfahren der KESB mit eingesetzter Kindesvertretung. Der Fokus liegt darauf, wie betroffene Jugendliche ihre Vertretung wahrnehmen sowie auf Rollenklärung und Zusammenarbeit der Fachpersonen im Verfahren.

Steckbrief

  • Lead-Departement(e) Soziale Arbeit
  • Institut Institut Kindheit, Jugend und Familie
  • Förderorganisation Paul Schiller Stiftung
  • Laufzeit (geplant) 01.06.2022 - 31.12.2024
  • Projektverantwortung Regina Jenzer
  • Projektleitung Prof. Dr. Andrea Hauri
  • Projektmitarbeitende Kathrin Junker
    Prof. Dr. Claudio Domenig
  • Partner Paul Schiller Stiftung
  • Schlüsselwörter Kindesvertretung, Rechtsvertretung, Kinderanwaltschaft, Verfahrensbeistandschaft, Verfahrensbeiständin, Verfahrensbeistand, Kooperation im Kindesschutz, Kindesschutzverfahren, BestPractice, KESB, kindfokussiert, Partizipation

Ausgangslage

Das seit 2013 bestehende verfahrensrechtliche Instrument im Kindesschutzverfahren – die Kindesvertretung gemäss Art. 314abis ZGB – wurde bisher in der Schweiz kaum beforscht. Verschiedene Fragen sind ungeklärt: Wie erleben die betroffenen Kinder und Jugendlichen das Verfahren mit Kindesvertretung, wie die Praxis? Welche Erfahrungen hat die KESB mit dem Einsatz einer Kindesvertretung? Wie ist das Rollenverständnis der Kindesvertreter*innen? Wie arbeiten sie mit anderen Akteur*innen im Verfahren – beispielsweise der Beistandsperson – zusammen und wie grenzen sie sich von ihnen ab? Nach welchen Kriterien wird die Güterabwägung verschiedener Akteur*innen im Verfahren zwischen Kindeswillen und Kindeswohl vorgenommen? Das interdisziplinäre Forschungsprojekt der BFH soll einen Beitrag zur Klärung dieser Fragen leisten und daraus Anregungen für die Praxis ableiten.

Vorgehen

Das Projekt erforschte Praxisfälle im zivilrechtlichen Kindesschutzverfahren vor der KESB, bei denen eine Kindesvertretung nach Art. 314abis ZGB eingesetzt wurde, aus unterschiedlichen Perspektiven – Kinder und Jugendliche, Kindesvertreter*in, KESB, Abklärungs- oder Beistandsperson. In einem ersten Schritt wurde eine Datenerhebung anhand von Aktenanalysen und Expert*inneninterviews mit Fachpersonen sowie mit den betroffenen Jugendlichen durchgeführt.

Die Datenanalyse erfolgte einerseits fallspezifisch, d.h. die Daten aus den Akten wurden mit den Interviews aus verschiedenen Perspektiven verknüpft. Andererseits wurde eine fallübergreifende Auswertung der Aktenanalysen sowie der Interviews entlang der unterschiedlichen Themen und Perspektiven vorgenommen. Anschliessend wurden zentrale Ergebnisse der Untersuchung einem Expert*innengremium aus der Praxis präsentiert und diskutiert. Mit Einbezug dieser Expert*innen wurden Best Practices für die  Rollenklärung und Zusammenarbeit der Fachpersonen sowie den Einbezug des Kindes bei eingesetzter Kindesvertretung erarbeitet und in Form eines Leitfadens ausformuliert. Die gesamten Studienergebnisse werden voraussichtlich 2025 publiziert.

Ergebnisse

Durch die Studie konnten wertvolle Erkenntnisse zu verschiedenen bisher kaum untersuchten Aspekten zur Kindesvertretung in Kindesschutzverfahren gewonnen werden. Dazu gehören: 

Rollenverständnis in Bezug auf Kindeswohl und Kindeswille

Die Rolle der Kindesvertretung wird von den interviewten Fachpersonen vorrangig in der Vertretung des Kindeswillens gesehen, wobei auch Kindeswohlüberlegungen in das Handeln der Kindesvertretung einfliessen sollen. 

Unterstützung der Willensbildung als eine zentrale Aufgabe

Kindern können in der Willensbildung beispielsweise unterstützt werden, indem ihnen Entscheide und Handlungen der KESB in einer altersgerechten Sprache erklärt oder sie in unterschiedlichen Situationen nach ihren Bedürfnissen befragt werden.

Die Interviews mit den Jugendlichen verdeutlichten, dass sich Jugendliche durch die Kindesvertretung im Verfahren tatsächlich einbringen können. Dadurch fühlen sie sich gehört, ernst genommen und emotional unterstützt. Die Kindesvertretung gibt ihnen im Kindesschutzverfahren Sicherheit. 

Zusammenarbeit der Fachpersonen im Verfahren mit Kindesvertretung

Die Studie zeigt förderliche sowie hinderliche Faktoren für eine kindfokussierte Zusammenarbeit. Eine gute Rollen- und Aufgabenklärung zwischen den beteiligten Fachpersonen ist beispielsweise zentral, damit es zu keinen Auslassungen oder Überschneidungen von Handlungen kommt.

Ausblick

Die Erkenntnisse aus der Studie werden in verschiedenen Produkten und Formaten präsentiert und zugänglich gemacht: 

  • Leitfaden mit Handlungsempfehlungen: Konkrete Handlungsempfehlungen, die auf den Studienergebnissen basieren, wurden im Juni 2024 in der Publikation «Kindesvertretung in Verfahren der KESB Leitfaden für Fachpersonen zur Rollenklärung, zur Zusammenarbeit und zum Einbezug des Kindes» veröffentlicht. Eine kostenlose gedruckte Version kann auf dieser Website bestellt oder eine elektronische Version heruntergeladen werden.
  • Publikation der Studienergebnisse: Die gesamten Studienergebnisse werden voraussichtlich 2025 in den Schriften zum Kindes- und Erwachsenenschutz (Hrsg. Daniel Rosch und Luca Marantha, Stämpfli Verlag) publiziert. 
  • Workshop «Kindesvertretungen – Rolle und Zusammenarbeit» an der KOKES Tagung vom 4./5. September 2024 
  • Tagung «Kindesvertretung in Kindesschutzverfahren»  an der Berner Fachhochschule am 19. März 2025. 
  • Integration der Studienergebnisse in die Weiterbildungen zum Kindesschutz an der BFH.